PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM Auszeichnung an herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für Verdienste um Wissenschaft und Kunst

Die Auszeichnung „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“ wird an Persönlichkeiten aus den Bereichen Wissenschaft und Kunst verliehen
Die Auszeichnung „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“ wird an Persönlichkeiten aus den Bereichen Wissenschaft und Kunst verliehen

Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler verleiht auch 2021 die Auszeichnung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst an herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Bronze-Relief „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“
Bronze-Relief „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“

Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst verleiht seit dem Jahr 2000 die Auszeichnung „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“ an herausragende Persönlichkeiten für deren Verdienste um Wissenschaft und Kunst, seit 2008 in Form eines Bronze-Reliefs. Ziel dieser Ehrung ist neben der Würdigung dieser Persönlichkeiten, Kultur als Einheit zu begreifen: Wissenschaft und Kunst sollen als zwei Seiten derselben Medaille wahrgenommen werden. Pro Jahr werden grundsätzlich nur bis zu acht Auszeichnungen vergeben.

Die Ehrungen im Detail

Bernhard M. Baron

An Bernhard M. Baron gerichtet erklärte Sibler in seiner Laudatio: „Sie vertreten einen unorthodoxen Brückenschlag zwischen Kunst und Wissenschaft. Sie haben es verstanden, die Gestaltungskraft einer Verwaltungslaufbahn mit Kreativität und Inspiration für die Realisierung weit­reichender Ideen zu nutzen. Ganz zu Recht nennt man Sie gern den ‚Kulturbaron‘. Ihre Verdienste haben Sie geadelt, dazu passt auch die heutige Auszeichnung. Mit zahlreichen Aktivitäten im Dienste der bayerischen Kultur und Literatur haben Sie viel bewegt.“ Er würdigte besonders Barons Beitrag „zu einem Bewusstsein, welche Bedeutung die Oberpfalz als Literaturlandschaft im Literaturland Bayern hat“.

Baron leitete 25 Jahre lang das Weidener Kultur- und Tourismusbüro und prägte in dieser Zeit entscheidend das Kulturleben seiner Heimatstadt. Einer seiner größten Verdienste ist die Initiierung der „Weidener Literaturtage“, die Baron von 1985 bis 2007 organisierte und dabei rund 400 namhafte deutsche und internationale Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach Weiden holte.

Überregionale Beachtung fand Barons Weidener Literaturgeschichte „Weiden in der Literaturgeographie“ von 1992. Sein geradezu enzyklopädisches Wissen, das Baron jenseits seiner akademischen Ausbildung an der damaligen Bayerischen Beamtenfachhochschule (1973 – 1976) sammelte, stellte er der Öffentlichkeit zur Verfügung: 2004 übergab er sein seit 1973 aufgebautes privates Autoren- und Rezensions-Archiv der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zu über 3000 Autorinnen und Autoren dem Kritischen Lexikon zur deutschsprachigen Gegen­wartsliteratur.

Zudem erkannte Baron, vorbildlich für andere Kulturakteure in Regionen und Kommunen, das Potenzial der großen Internetpräsenz für Bayern, das Literaturportal Bayern. Unermüdlich verfasst er seit dessen Online-Schaltung bis heute zahlreiche literarische Porträts für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, literatur­geografische Städteprofile und vieles mehr. Darüber hinaus stand Baron selbst in verschiedenen Romanen mehrfach Pate für eine literarische Figur.

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (links) mit Bernhard M. Baron (Bildnachweis: Matthias Balk)

Dr. Dorothea Diemer und Dr. Peter Diemer

„Wissenschaft und Kunst sollen als zwei Seiten derselben Medaille wahrgenommen werden. Dr.  Dorothea und Dr. Peter Diemer haben diese beiden Seiten in ihren wissenschaftlichen Werken auf wunderbare Weise verbunden. Sie lieferten mit ihrem Wirken wesentliche Erkenntnisse zur Kunstgeschichte. Ihr Lebenswerk ist vielseitig und zeichnet sich aus durch Verantwortung für das kulturelle Erbe, solide Grundlagenarbeit, kreatives Denken, Diskussionsbereitschaft und nicht zuletzt anschauliche Vermittlung“, betonte Sibler in seiner Laudatio für die beiden Kunsthistoriker.

Dr. Dorothea Diemer war in der Lehre tätig, unter anderem bis ins Jahr 2016 am Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Augsburg. Dr. Peter Diemer hatte am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München fast 30 Jahre lang die Redaktion der „Kunstchronik“ inne und stand damit an einer zentralen Stelle der Vermittlungsarbeit.

Ihr wissenschaftliches Lebenswerk, das die Kunsthistorikerin und der Kunsthistoriker größtenteils zusammen verfassten, entstand jedoch überwiegend jenseits dienstlicher Verpflichtungen, aufgrund eigener Initiative und unentgeltlich.

Neben zahlreichen Studien über mittelalterliche Werke war die Kunst der Frühen Neuzeit ein zweites Aufgabengebiet, in dessen Zentrum die Renaissance und der Barock, Bayern und München sowie auch Kunst und Sammeln der Wittelsbacher standen. Dabei entstanden maßgebliche Abhandlungen und Forschungen.

Ein drittes Spezialgebiet stellte das Sammeln und die Kunstkammer der Renaissance dar. In diesem Rahmen entstand auch die gewichtigste Publikation: Dr. Peter Diemer gab 2004 für die Bayerische Akademie der Wissenschaft das ca. 3500 Positionen umfassende Inventar der herzoglichen Kunstkammer heraus, das der Hofrat Johann Baptist Fickler im Jahr 1598 angelegt hatte. 2008 folgten drei voluminöse Bände, in denen Dr. Dorothea und Dr. Peter Diemer mit Unterstützung weiterer Autoren die Objekte des Inventars identifizierten und untersuchten.

Hiermit wurde Grundlagenforschung betrieben und zugleich für die Theorie und Praxis des Kunstsammelns in der Frühen Neuzeit fundamentale Arbeit geleistet. Konkrete Wirksamkeit erzielten Arbeiten von Dr. Dorothea Diemer zuletzt auch als Teil der Grundlagen für den erfolgreichen Welterbeantrag „Wassermanagement-System“ der Stadt Augsburg.

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (links) mit Dr.  Dorothea Diemer und Dr. Peter Diemer (Bildnachweis: Matthias Balk)

Ursula Haeusgen

Die Liebe zur Lyrik war ihr Lebensinhalt: Die Gründerin des Lyrik Kabinetts und frühere Poesie-Mäzenin Ursula Haeusgen ist knapp sechs Monate nach ihrem Tod von Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler mit der Auszeichnung „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst geehrt worden. „Menschen wie Ursula Haeusgen sind beispielgebend dafür, was privates Engagement für Kunst bewirken kann. Auf Persönlichkeiten wie sie ist unser Kunst- und Kulturleben, ist unsere Gesellschaft angewiesen“, betonte Sibler, der die Auszeichnung Mitte Juli in München stellvertretend an den Geschäftsführer der Stiftung Lyrik Kabinett Dr. Holger Pils überreichte.

Mit der Auszeichnung „PRO MERITIS SCIENTIAE ET LITTERARUM“ würdigt der Freistaat Ursula Haeusgens große Verdienste mit besonderer Betonung des Brückenschlags zwischen Kunst und Wissenschaft, den das Lyrik Kabinett leistet. „Der Freistaat Bayern schätzt diesen wunderbaren Ort für die Lyrik nicht zuletzt auch als wertvolle und wis­sen­schaftlich bedeutsame Spezialbibliothek mit einem 65.000 Bände starken Bestand an Primär- und Sekundärliteratur, deren Grundstock Frau Haeusgen ge­stiftet hat. Sie stellte zudem jährlich finanzielle Mittel für Neuanschaffungen und Bibliotheks­kräfte zur Verfügung.“

In diesem Zusammenhang teilte Sibler auch mit, dass der Freistaat Bayern die Spezialbibliothek der Stiftung Lyrik Kabinett als „bayern- und bundesweit einzigartige und national wie international hoch anerkannte Einrichtung“ in diesem Jahr erstmals mit einer Summe von 40.000 Euro fördert. Damit sollen Erhalt, Ausbau und Erschließung der öffentlich zugänglichen, wissenschaftlich betreuten Bibliothek bezuschusst werden. Der Geschäftsführende Vorstand Dr. Holger Pils bewertete dies als bedeutsam für den Fortbestand des Lyrik Kabinetts: „Wir sind Staatsminister Sibler sehr dankbar für die Unterstützung und die Wertschätzung unserer Arbeit. Für die Zukunftssicherung der Arbeit des Lyrik Kabinetts insgesamt ist diese Förderung ein sehr wichtiger Schritt.“

Bei seiner emotionalen Würdigung der im Januar 2021 gestorbenen Poesie-Pionierin Ursula Haeusgen sagte Sibler: „Die Nachricht dieser Ehrung hat sie noch erreicht und wie mir zu Ohren kam, hat sie sich sehr darüber gefreut. Dann kam die Pandemie; wir mussten die Verleihung verschieben. Es tut mir unendlich leid, dass ich der großen Kunst-Mäzenin und Lyrik-Patin im Freistaat diese Ehrung nicht mehr persönlich überreichen kann. So ehren wir sie posthum. Und wir ehren ihr Werk, das sie uns hinterlassen hat und das bleiben wird.“

Haeusgen, die einmal sagte „Ich habe einfach nur diese Liebe zur Lyrik“, hatte der Welt der Poesie einen großen Teil ihres Lebens gewidmet. Nachdem sie das Lyrik Kabinett bereits 1989 als Buchhandlung gegründet hatte, errichtete sie nach verschiedenen Umzügen und einer Zeit des Lyrik Kabinetts als Lesegesellschaft 2003 die „Stiftung Lyrik Kabinett“ als rechtsfähige Stiftung. Seit 2005 hat diese hochrangige und international hoch anerkannte literarische Einrichtung ihre Heimat in der Amalienstraße im Münchner Innenstadtbezirk Maxvorstadt.

Als Zentrum und Forum für Lyrik schafft das Lyrik Kabinett dort Orientierung über das weite Spektrum lyrischen Schaffens durch die Zeiten und Nationalliteraturen.  Es spricht ganz unterschiedliche Zielgruppen an, von der Mittelschul-Schülerin und dem jugendlichen Poetry-Slam-Fan bis zur Poesie-Liebhaberin oder Personen aus Literaturwissenschaft, Verlagswesen. Und nicht zuletzt fühlen sich dort Lyrikerinnen und Lyriker zu Hause, gerade auch aus der jungen Lyrik-Szene, die sich in den letzten Jahren in München entwickelt hat.

„Sie wollte Lyrik sichtbar machen, Gedichte möglichst vielen Menschen zugänglich machen, Leser und Lyriker zusammenbringen, Gespräche über Lyrik ermöglichen“, sagte Sibler. „Diese starke Idee hat sie in privater Initiative, mit starkem Willen und Beharrlichkeit und unter Einsatz erheblichen Vermögens Wirklichkeit werden lassen.“

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (links) mit Dr. Holger Pils, Geschäftsführender Vorstand des Lyrik Kabinetts; das Bild links an der Wand zeigt Ursula Haeusgen (Bildnachweis: Volker Derlath)

Dr. Camilla Rothe

Durch eine bewundernswert aufmerksame Beobachtung entdeckte die Tropenmedizinerin Dr. Camilla Rothe Anfang 2020, dass das Corona-Virus auch von Personen ohne Symptome übertragen werden kann. Vom TIME Magazine wurde sie für diese Erkenntnis von enormer wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz zurecht zu einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2020 gekürt.

„Als Tropenmedizinerin, die es bereits mit einem höchst infektiösen Erreger wie Ebola zu tun hatte, sind Sie es gewohnt, einen kühlen Kopf zu bewahren“, betonte Sibler Mitte Juli 2021 in seiner Laudatio. „Und genauso besonnen haben Sie auch reagiert, nachdem Sie den Erreger Sars-CoV-2 erstmals bei einem deutschen Patienten identifiziert hatten.“

Denn Dr. Rothe machte ihre scharfsinnige Feststellung in einer frühen Phase der Pandemie durch einen Artikel im New England Journal of Medicine schnellstmöglich der Öffentlichkeit zugänglich. „Durch diese beeindruckend geistesgegenwärtige Reaktion haben Sie wesentlich dazu beigetragen, dass viel frühzeitiger Vorsichtsmaßnahmen gegen das Virus getroffen und damit Menschenleben gerettet wurden“, erklärte Sibler.

Und als ihre Beobachtung zunächst angezweifelt wurde, hatte Camilla Rothe den Mut, standfest an ihrer Erkenntnis festzuhalten. Diese hat inzwischen weltweite Akzeptanz erfahren. „Ihre Standhaftigkeit macht Sie zu einem Vorbild für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Denn mutige Forscherinnen und Forscher, die sich nicht scheuen auch solche ‚unangenehmen‘ Wahrheiten zu verkünden, sind für den Diskurs in einer offenen Gesellschaft unerlässlich. Dies gilt generell, aber gerade in solchen Extremsituationen wie einer Pandemie“, stellte Sibler heraus.

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (links) mit Dr. Camilla Rothe (Bildnachweis: Andreas Gebert)

Dr. Bernhard Spies

Im April 2018 übernahm Dr. Bernhard Spies die Aufgabe des Geschäftsführers der Stiftung Haus der Kunst gGmbH München, die er bis Februar 2020 innehatte, in äußerst schwierigen Zeiten. Er sah sich einer sehr angespannten finanziellen Lage, die eine interne Neustrukturierung erforderlich machte, und laufenden Gerichtsverfahren gegenüber. „Mit großem Engagement und ohne Rücksicht auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen haben Sie dann den Fortbestand der Stiftung gesichert und diese wieder in ruhigeres Fahrwasser gesteuert“, betonte Sibler in seiner Laudatio Mitte Juli 2021. Spies erreichte, dass die Stiftung wirtschaftlich wieder konsolidiert ist und gerichtliche Prozesse abgewendet oder beendet wurden.

Dr. Spies‘ Nachfolger könnten sich nun „mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit inhaltlichen Aufgabenstellungen und den laufenden Geschäften des Hauses der Kunst zuwenden“, erklärte Sibler und verwies angesichts hochkarätiger Ausstellungen spannender Künstlerinnen und Künstler auf die große Bedeutung der Einrichtung. „Sie haben nicht zuletzt einen zentralen Beitrag dazu geleistet, dass das Haus der Kunst optimistisch in die Zukunft schauen kann. Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass uns dieses Angebot in Bayern und München erhalten bleibt.“

Herausforderungen gescheut hatte Spies auch vor seiner Zeit bei der Stiftung Haus der Kunst nicht. In einer ebenfalls schwierigen Situation leitete er von 2008 bis 2017 als Kaufmännischer Geschäftsführer gemeinsam mit dem Intendanten die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland. Erfahrungen aus dieser Tätigkeit flossen in einen von ihm mit erarbeiteten Leitfaden ein, der einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Museen in Richtung strategieorientierter Organisationen leistet. Außerdem beriet Spies Institutionen und Unternehmen und war neben anderen Tätigkeiten Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rostock. „Ihre Expertise machte sich immer in Ihrer Tätigkeit bemerkbar“, sagte Sibler.

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (links) mit Dr. Bernhard Spies (Bildnachweis: Andreas Gebert)

Rosemarie Tietze

„Sie sind eine der herausragenden Übersetzerinnen-Persönlichkeiten im deutsch­sprachigen Raum. Ihre Übersetzungen zeitgenössischer und klassischer russischer Literatur haben Maßstäbe gesetzt. Sie sind eine herausragende Persönlichkeit des literarischen Lebens der Bundesrepublik Deutschland“, betonte Sibler Mitte Juli 2021 in seiner Laudatio für Rosemarie Tietze. „Mit Ihnen zeichnet das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zum ersten Mal eine Vertreterin der Übersetzerzunft aus, ohne die uns der weitaus größte Teil der Weltliteratur verschlossen bliebe.“

Die Reihe der von Tietze übersetzten Werke wie die damit verbundenen Namen russischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist lang und beeindruckend: Darin finden sich neben Werken von Fjodor Dostojewskij und Andrei Tarkowski Dramen von Vladimir Nabokov oder die hochgelobte Neuübertragung des Klassikers „Anna Karenina“ von Lew Tolstoi von 2009. Der zentrale Autor von Tietzes Werk­biografie ist Andrej Bitow. Tietze habe sich „in einem über das Übersetzen weit hinausgehenden Maße für die Vermittlung russischer Literatur eingesetzt“, sagte Sibler. Manche Autoren und Texte entdeckte Tietze bereits zur Zeit der Sowjetunion, aber auch in jüngerer Zeit überhaupt erst neu und empfahl deutschen Verlagen viele Übersetzungen mit Geduld und Beharrlichkeit erfolgreich. Darüber hinaus verfasste sie zahlreiche Aufsätze, Rezensionen und Rundfunksendungen zur russischen Literatur, und hielt Seminare, Lesungen, Vorträge ab.

Ganz besonders würdigte Sibler Tietzes mit Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft erreichte Verdienste um die allgemeine Verbesserung der Übersetzungskultur in der Bundesrepublik. Als die folgenreichste von vielfältigen Aktivitäten, nicht zuletzt zur Förderung des Übersetzernachwuchses, hob er in diesem Zusammenhang Tietzes langjährige Tätigkeit als Prä­sidentin des von ihr mitbegründeten Deutschen Übersetzer­fonds, der ersten bundesweiten Förderinstitution für Übersetzer, hervor: „Wenn heute Übersetzerstipendien vergeben werden oder die Übersetzerin, der Übersetzer in Publikationen und Rezensionen genannt oder auch prominent her­vor­ge­­hoben werden, wenn die literarische Übersetzung in der Kunstförderung mitgedacht wird, dann ist das zum großen Teil Ihr Verdienst.“

Über all dies hinaus habe Rosemarie Tietze enorm viel dazu beigetragen, dass sich insgesamt ein neues Bild vom Übersetzen durchgesetzt hat: „Die Auffassung vom literarischen Übersetzer in der dienenden Rol­le als „Postkutschenpferd des Geistes“ – ich zitiere den Dichter Alexander Puschkin – ist der Vorstellung vom literarischen Übersetzer oder der Übersetzerin als Künstler, Künstlerin gewichen, der, die ein eigenes Oeuvre mit eigenem Fin­ger­ab­druck, einer eigenen Anschauung, mit einer wiedererkennbaren Handschrift geschaffen hat. Die literarische Übersetzung wird heute als eigene Kunst betrachtet."

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (rechts) mit Rosemarie Tietze (Bildnachweis: Andreas Gebert)

Dr. Uwe Timm

„Sie sind einer der bekanntesten und produktivsten Schriftsteller in Bayern und im deutschsprachigen Raum. Ihr Werk bildet in seiner Gesamtheit ein vielseitiges, sozial­kritisches Porträt der Entwicklung der deutschen Gesellschaft nach dem 2. Welt­krieg ab“, betonte Sibler Mitte Juli 2021 in seiner Laudatio und hob die Vielschichtigkeit von Uwe Timms Schaffen hervor: „Die Auszeichnung „Pro Meritis Scientiae et Litterarum“ wird für Verdienste in Wissenschaft und Kunst verliehen. Ihr Werk zeichnet sich durch die Verbindung persönlicher Erfahrungen mit politischer Analyse aus, schlägt eine Brücke zwischen literarischer Erzählung und historisch-wissenschaftlicher Untersuchung.“

Bevor Timm nach einem Studium der Philosophie und Germanistik in München und Paris die Laufbahn als freier Schriftsteller einschlug, hatte er noch eine Kürschner-Ausbildung absolviert, um den väterlichen Betrieb zu übernehmen. Prägend für sein Werk wurde Timms Engagement in der Studentenbewegung von 1967 bis 1969 und die Auseinandersetzung mit dem Existentialismus. 1971 promovierte er mit einer Arbeit über den stark vom Existenzialismus beeinflussten Albert Camus.

„Die freie Entscheidung des Individuums für eine selbstbestimmte Stellung in der Welt jenseits von Erziehung und Sozialisierung, die radikale Diesseitsbejahung, ein Credo für Selbstverwirklichung, aber auch das politische Ideal einer gestaltbaren, freien Ge­sellschaft: All dies Überlegungen der Existenzialisten, an die Sie sowohl künstlerisch als auch wissenschaftlich anschließen konnten“, erklärte Sibler.

Von Beginn an vertrat Uwe Timm die Vorstellung einer engagierten Literatur. Die Erfahrungen der Studentenbewegung prägen eine Reihe seiner Werke „Der Freund und der Fremde“ (2005) thematisiert Timms Freundschaft mit dem 1967 auf der Anti-Schah-Demo in West-Berlin erschossenen Benno Ohnesorg, den er in der ersten Hälfte der 1960er Jahre kennengelernt hatte.

Immer wieder verbinden sich in Timms Werk autobiografische Erfahrung und historische Recherche. Kritisch beleuchtete er verschiedenste Aspekte der deutschen Geschichte. In „Am Beispiel meines Bruders“ (2003) behandelte er nicht nur die eigene Familiengeschichte um den freiwillig der Waffen-SS beigetretenen und in der Ukraine in einem Lazarett verstorbenen Bruder, sondern reflektierte auch für die deutsche Gesellschaft typische Formen des Trauerns, Erinnerns und Verdrängens der NS-Zeit. Zu seinen größten Erfolgen gehört die 1993 erschienene und 15 Jahre später verfilmte Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“. Darüber hinaus schrieb Uwe Timm auch für Kinder und Jugendliche, erfolgreich verfilmt wurde „Rennschwein Rudi Rüssel“ (1989).

Besonders stellte Sibler heraus, dass Timm immer wieder die gestaltende Kraft der Utopie verteidigte: „So stehen Sie auch für eine Literatur der Hoffnung, die sich der Zukunft optimistisch zugewandt zeigt, und das trotz und auch in Anbetracht des Versagens, der Verbrechen der Menschheit in der Vergangenheit. Auf eine solche Literatur sind wir in der heutigen Gegenwart mit ihren Unwägbarkeiten und ihrer Komplexität dringend angewiesen.“

Foto: Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler (links) mit Dr. Uwe Timm (Bildnachweis: Andreas Gebert)

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