Pressemitteilung Nr. 300 vom 16.12.2021 Provenienzforschung 2020 in Bayern: 26 restituierte Objekte, 33 Forschungs- und Erschließungsprojekte, über 70 Suchmeldungen

Kunstminister Sibler stellt mit Forschungsverbund Ergebnisse aus Tätigkeitsjahr 2020 vor - „fortdauernde ethische Verpflichtung“ – 23 Museen, Bibliotheken, Archive und Forschungseinrichtungen recherchieren gemeinsam zur Herkunftsgeschichte von Kulturgütern in ihren Beständen

MÜNCHEN. 26 Objekte wie Gemälde, Tapisserien, Kunsthandwerk und Bücher aus bayerischen Einrichtungen konnten im Jahr 2020 durch die Arbeit des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern (FPB) an die Nachfahren der vormaligen Eigentümer restituiert werden. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten noch nicht alle Rückerstattungen in die Tat umgesetzt werden, da die Eigentümerinnen und Eigentümer der Objekte oftmals eine weite Anreise in Kauf nehmen müssen. Über dies gibt der Tätigkeitsbericht Auskunft, den Kunstminister Bernd Sibler heute gemeinsam mit den beiden Vorsitzenden des Verbundes Dr. Johannes Gramlich und Prof. Dr. Christian Fuhrmeister der Öffentlichkeit vorstellte. Der Bericht gibt einen Überblick über die Forschungsarbeit der 23 beteiligten Institutionen, darunter 15 Mitglieder und acht Kooperationspartner, die sich mit der Geschichte von mutmaßlich geraubten Kunst- und Kulturgütern befassen.

Für Kunstminister Bernd Sibler hat die Forschung einen besonderen Wert: „Die Erforschung ihrer Geschichte zählt zu den wichtigen Aufgaben unserer Museen im Freistaat. Restitutionsforderungen wollen wir umfassend nachgehen und aufklären. Wenn die Forschungen Hinweise auf einen verfolgungsbedingten Entzug bestätigen und die Voraussetzungen nach der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände erfüllt sind, restituieren wir selbstverständlich auch. Denn Ziel dieser arbeitsintensiven Forschungsarbeit ist es, verfolgungsbedingt entzogene Kunstgegenstände zurückzugeben oder gerechte und faire Lösungen für eine Wiedergutmachung zu finden“, betonte er. Die Aufarbeitung des Unrechts der NS-Zeit sei eine „fortdauernde ethische Verpflichtung“. Auch die Aufarbeitung des Kolonialismus im Kontext der Beforschung der Bestände versteht er als „eine zentrale kulturpolitische Aufgabe“.

Breit aufgestellt: Museen, Archive und Forschungseinrichtungen sind beteiligt

Bevor es zu einer Restitution kommen kann, sind umfangreiche Recherchen nötig, die sich aufgrund ihrer Komplexität über Jahre hinziehen können. Der 2015 gegründete bayerische Forschungsverbund begegnet dieser Herausforderung durch seine breite Aufstellung: An ihm sind Museen unterschiedlicher Ausrichtung, die Bayerische Staatsbibliothek, Archive sowie universitäre Lehrstühle und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit den Fachrichtungen Kunst- und Zeitgeschichte beteiligt. Durch eine enge Kooperation zwischen den Einrichtungen werden Synergieeffekte geschaffen. So kommt es zum Beispiel nicht selten vor, dass sich Objekte aus dem Bestand eines Händlers oder eines Sammlers aus der NS-Zeit heute in mehreren Institutionen befinden. In diesen Fällen schließen sich die Mitglieder über den Verbund zusammen, recherchieren gemeinsam und unterstützen sich gegenseitig durch ihre Forschungsarbeit.

33 Projekte zu Raubkunst in Arbeit

Insgesamt arbeiten die Institutionen des Verbunds derzeit an 33 Projekten. Ein beispielhaftes Vorhaben konnte im Berichtsjahr weiter vorangetrieben werden: Gemeinsam recherchieren die Archive, Forschungsinstitute und Museen des Verbundes zum Verfolgungsschicksal des bedeutenden Münchner Kunsthändlers Hugo Helbing, von dem sich Kunstgegenstände und schriftliche Unterlagen in vielen bayerischen Einrichtungen befinden. Durch die aktive Forschung des Verbundes wurden im vergangenen Jahr zudem 74 Objekte aus bayerischen Museen und Bibliotheken, bei denen ein begründeter Verdacht auf Raubkunst besteht, auf der Internetplattform lostart.de eingetragen, einem zentralen Rechercheinstrument für Raubgut. Die Veröffentlichung der Rechercheergebnisse dient der Transparenz und ermöglicht es, gesuchte Objekte von der ganzen Welt aus zu finden.  

Zur Zusammenarbeit der Mitglieder erklärten die Vorsitzenden des Forschungsverbundes, Dr. Johannes Gramlich und Prof. Dr. Christian Fuhrmeister: „Die beteiligten Archive, Bibliotheken, Museen sowie universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen decken grundlegende Aspekte der Provenienzforschung ab und bringen unterschiedliche Perspektiven und Wissensbestände ein. Die Institutionen des Verbundes betreiben objektbezogene Recherchen, Kontext- und Grundlagenforschung, sie erschließen und digitalisieren relevante Quellenbestände und sind in der fachwissenschaftlichen Vermittlung und Lehre aktiv. Die Zusammenarbeit im Verbund profitiert von dieser Vielfalt seiner Mitgliedsinstitutionen außerordentlich.“ Die im Bericht dargestellten Ergebnisse zeigen, so Gramlich und Fuhrmeister, dass Bayern eine „lebendige und wichtige Region für Provenienzforschung“ im nationalen und internationalen Zusammenhang sei.

Der Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern legt jedes Jahr einen aktuellen Tätigkeitsbericht über seine umfangreichen Aktivitäten vor, der auch auf seiner Webseite veröffentlicht wird und dort heruntergeladen werden kann. Wesentlicher Förderer ist der Freistaat Bayern. Wichtige Projektförderung kommt zudem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, eine von Bund und den Ländern sowie von den drei kommunalen Spitzenverbänden errichtete Einrichtung.

Weitere Informationen zum Forschungsverbund:

https://www.provenienzforschungsverbund-bayern.de/

Der diesjährige Tätigkeitsbericht des Forschungsverbundes sowie ein Foto von der Vorstellung des Berichts stehen zum kostenfreien Download zur Verfügung unter: Pressematerial zum Download (bayern.de)

 

Kathrin Gallitz, Pressesprecherin, 089 2186 2057

Helena Barsig, Sprecherin, 089 2186 1829

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