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Der Erste Weltkrieg und die bürgerliche

Frauenbewegung in München

Am 1. August 1914 gibt König Ludwig III. die

Mobilmachung bekannt. Auch die bürgerliche

Frauenbewegung wird vom Kriegsrausch erfasst

und propagiert die Rettung des »Vaterlandes« als

heiliges Ziel. Im

Verein für Fraueninteressen

wer­

den laufende Vereinsarbeiten unterbrochen und die

bestehenden Kommissionen aufgelöst. Der Ver­

ein, dessen Mitgliederzahlen während des Ersten

Weltkrieges sprunghaft steigen, wirkt nun in der

städtischen Münchner Kriegsfürsorge mit.

Innerhalb der Frauenbewegung gibt es aber auch

eine andere Haltung zumKrieg. Im Frühjahr 1915

tagt in Den Haag der

Internationale Frauenkon­

gress

, an dem über 1100 Delegierte aus 12 Ländern

teilnehmen. Aus Deutschland ist der »radikale

Flügel« der Frauenbewegung vertreten, unter ihnen

Anita Augspurg. Der Kongress protestiert gegen

den Krieg als einen »Wahnsinn«, der nur durch

eine »Massenpsychose« möglich geworden sei. Er

fordert die Regierungen zu Friedensverhandlungen

auf, stellt Friedensgrundsätze auf und verlangt die

politische Gleichberechtigung der Frauen.

Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts ist – nach

Ende des Ersten Weltkriegs – der 12. November

1918. Am 19. Januar 1919 finden in der Weimarer

Republik erstmals allgemeine, gleiche, geheime

und direkte Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalver­

sammlung statt. Zum ersten Mal dürfen Frauen im Deutschen Reich

wählen und gewählt werden. 300 Frauen kandidieren. 37 Frauen – ins­

gesamt gibt es 423 Abgeordnete – werden gewählt.

Der Erste Weltkrieg war einschneidend für die bürgerliche Frauenbe­

wegung. Die Frauen stellten ihre ursprünglichen Ziele und Interessen

zurück und engagierten sich stattdessen in der Kriegshilfe und -fürsorge.

Der Münchner

Stadtbund

, der im Januar 1914 als Organ der Frauen­

bewegung gegründet wurde, verliert bereits wenige Monate nach dem

Ausbruch des ErstenWeltkrieges seinen Charakter. Gegen Kriegsende

gehören ihm auch Frauenverbände an, die keineswegs in der emanzi­

patorischen und demokratischen Tradition der Frauenbewegung des

19. Jahrhunderts stehen, so die

Frauenortsgruppe München des Vereins

für Deutschtum im Auslande

, der

Flottenbund Deutscher Frauen

oder

der

Bund deutscher Offiziersfrauen

. Obwohl sich der

Stadtbund

nach

Ende des Krieges wieder den Fraueninteressen zuwendet, bleibt die Be­

wegung fortan zerrissen. Die überzeugte Demokratin Luise Kiesselbach,

seit 1913 Vorsitzende des

Vereins für Fraueninteressen

, kostet es Mühe,

den

Stadtbund

und den

Hauptverband Bayerischer Frauenverbände

auf Kurs zu halten. Es hat den Anschein, dass nur wenige Jahre, nach­

dem sich die Frauen überhaupt das Recht auf politische Öffentlichkeit

erstritten hatten, in den Organisationen der Frauenbewegung jede

politische Äußerung wieder auf die Goldwaage gelegt wurde.

Gewaltsames Ende der modernen Frauenbewegung 1933

Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 bedeutet das Ende

der modernen bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland. Um der

Gleichschaltung zu entgehen, löst sich 1933 der

Bund deutscher Frauen

(BDF) auf. Der

Münchner Verein für Fraueninteressen

bleibt zwar

bestehen, wird aber in seiner Arbeit in den nächsten Jahren immer

weiter beschnitten. Möglicherweise entgeht er der Auflösung, weil 1935

NSDAP-Mitglied Dr. Gisela Mauermayer-Schmidt zur Vorsitzenden

gewählt wird. Damit genügt der Verein den formalen Anforderungen

der Partei an die Vereine. Über die Zeit von 1933–1945 gibt es kaum

Informationen aus dem Vereinsleben.

rechts

Das Atelier El-

vira in der Von-der-

Tannstr. 15.

darunter

Abgeschla-

gene Fassade des

Ateliers 1937.

daneben

Das Foto-

atelier Elvira nach

dem Bombenangriff

am 5.4.1944.