Pressemitteilung Nr. 113 vom 12.12.2025 Kunstminister Markus Blume: „NS-Schiedsgericht wirkt weit über den Rechtsweg hinaus“

Neuer Bewertungsrahmen ermöglicht Restitution des Gemäldes „Hl. Anna Selbdritt“ durch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: „Der Bewertungsrahmen konkretisiert die Washingtoner Prinzipien und schafft verlässliche Leitlinien. Das ist ein wichtiger Fortschritt für eine zeitgemäße Restitutionspraxis“

MÜNCHEN. „Ich freue mich, dass der klar definierte und erweiterte Kriterienkatalog des neuen Bewertungsrahmen des Schiedsgerichts NS-Raubgut die rechtlichen Voraussetzungen für die Rückgabe des Gemäldes ‚Hl. Anna Selbdritt‘ an die Erben nach Ernst Magnus schafft“, so Kunstminister Markus Blume anlässlich der heutigen Rückgabe des Gemäldes durch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München. Blume betont: „Mit dem Start der Schiedsgerichtsbarkeit hat eine neue Ära bei der Rückgabe von NS-Raubkunst begonnen – und sie wirkt weit über den Rechtsweg hinaus. Der Bewertungsrahmen konkretisiert die Washingtoner Prinzipien und schafft verlässliche Leitlinien. Das ist ein wichtiger Fortschritt für eine zeitgemäße Restitutionspraxis. Zum ersten Mal werden auch bislang ungeklärte Bereiche wie Händlerware, Auslandverkäufe und Fluchtgut geregelt. Dabei gilt: Keine Regel ohne Ausnahme – nur so lässt sich jeder Einzelfall individuell würdigen. Für Museen in Bayern und deutschlandweit schafft das die Chance, schwierige Sachverhalte erneut zu beleuchten und Entscheidungen auf eine breitere, tragfähige Grundlage zu stellen“.

Der Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Anton Biebl sagt: „Die Entscheidung, das Werk an die Erben von Ernst Magnus zurückzugeben, ist ein sichtbares Zeichen für die Weiterentwicklung unserer Restitutionspraxis. Wir sind den Opfern des NS-Unrechts und ihren Nachfahren verpflichtet, ihre Geschichten sichtbar zu machen und gerechte Lösungen zu finden.“

Weiterentwicklung der Restitutionspraxis durch den neuen Bewertungsrahmen des Schiedsgerichts NS-Raubgut

Die Erben von Ernst Magnus stellten bereits 2009 ein Restitutionsgesuch. Nachdem es 2010 auf Basis der damaligen Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ und in Übereinstimmung mit einer Empfehlung der Beratenden Kommission zu Fluchtgut abgelehnt worden war, konnte der Fall im Lichte des 2024 verabschiedeten Bewertungsrahmens erneut geprüft und auf Restitution entschieden werden.

Der Bewertungsrahmen ermöglicht eine differenziertere Betrachtung von Sachverhalten, in denen Emigranten Kunstwerke außerhalb des NS-Machtbereichs verkauften (sog. Fluchtgut): Er berücksichtigt die verfolgungsbedingten wirtschaftlichen Nöte und erkennt an, dass selbst Verkäufe auf formal freien Märkten im Ausland oft direkt mit der NS-Verfolgung zusammenhingen. Die Regelung zum Fluchtgut zeigt exemplarisch den Ansatz des Bewertungsrahmens: Er konkretisiert die abstrakten Vorgaben der Washingtoner Prinzipien, schafft mehr Orientierung für die Praxis und legt klare Kriterien für Restitutionsentscheidungen des Schiedsgerichts NS-Raubgut und der öffentlichen Museen in Deutschland fest. Die Regelungen sind dabei so gestaltet, dass sie komplexe historische Situationen berücksichtigen und individuelle Fälle angemessen würdigen können. Zugleich gilt: Es gibt keine Regel, die nicht gleichzeitig Ausnahmen zulässt.

Informationen zur Herkunftsgeschichte des Gemäldes „Hl. Anna Selbdritt“ finden Sie im Pressebereich der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen unter:

https://www.pinakothek.de/de/presse

 

Helena Barsig, Sprecherin, 089 2186 1829

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