Pressemitteilung Nr. 106 vom 04.05.2020 Provenienzforschung 2019 in Bayern: 362 restituierte Objekte, 36 Forschungsprojekte, über 120 Suchmeldungen

Kunstminister Sibler stellt mit Forschungsverbund Ergebnisse aus Tätigkeitsjahr 2019 vor – „fortdauernde ethische Verpflichtung“ – 22 Museen, Bibliotheken, Archive und Forschungseinrichtungen recherchieren gemeinsam zur Herkunftsgeschichte von Kulturgütern in ihren Beständen

MÜNCHEN. 362 Objekte wie Gemälde, Graphiken, Kunsthandwerk, Bücher und Musikinstrumente aus bayerischen Einrichtungen konnten im Jahr 2019 durch die Arbeit des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern (FPB) restituiert werden. So erhielten Nachfahren beispielsweise Silberobjekte wie Leuchter, Kelche und ein Gewürzgefäß, gerahmte Elfenbeinreliefs oder Zeichnungen und Gemälde zurück. Das zeigt der Tätigkeitsbericht, den Kunstminister Bernd Sibler heute gemeinsam mit den beiden Vorsitzenden des Verbundes Dr. Johannes Gramlich und Dr. Stephan Kellner der Öffentlichkeit vorstellte. Der Bericht gibt einen Überblick über die Forschungsarbeit der 22 beteiligten Institutionen, darunter 15 Mitglieder und sieben Kooperationspartner, die sich mit der Geschichte von mutmaßlich geraubten Kunst- und Kulturgütern befassen.

Für Kunstminister Bernd Sibler hat die Forschung einen besonderen Wert: „Die Erforschung ihrer Geschichte zählt zu den wichtigen Aufgaben unserer Museen im Freistaat. Restitutionsforderungen wollen wir umfassend nachgehen und aufklären. Wenn die Forschungen Hinweise auf einen verfolgungsbedingten Entzug bestätigen und die Voraussetzungen nach der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände erfüllt sind, restituieren wir selbstverständlich auch. Denn Ziel dieser arbeitsintensiven Forschungsarbeit ist es, verfolgungsbedingt entzogene Kunstgegenstände zurückzugeben oder gerechte Lösungen für eine Wiedergutmachung zu finden“, betonte er. Die Aufarbeitung des Unrechts der NS-Zeit sei eine „fortdauernde ethische Verpflichtung“. Auch die Aufarbeitung des Kolonialismus im Kontext der Beforschung der Bestände versteht er als „eine zentrale kulturpolitische Aufgabe“.

Breit aufgestellt: Museen, Archive und Forschungseinrichtungen sind beteiligt

Bevor es zu einer Restitution kommen kann, sind umfangreiche Recherchen nötig, die sich zum Teil aufgrund ihrer Komplexität über Jahre hinziehen können. Der 2015 gegründete bayerische Forschungsverbund begegnet dieser Herausforderung durch seine breite Aufstellung: An ihm sind Museen unterschiedlicher Ausrichtung, die Bayerische Staatsbibliothek, Archive sowie universitäre Lehrstühle und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit den Fachrichtungen Kunst- und Zeitgeschichte beteiligt. Durch eine enge Kooperation zwischen den Einrichtungen werden Synergieeffekte geschaffen. So kommt es zum Beispiel nicht selten vor, dass sich Objekte aus dem Bestand eines Händlers oder eines Sammlers aus der NS-Zeit heute in verschiedenen Institutionen befinden. In diesen Fällen schließen sich die Mitglieder über den Verbund zusammen, recherchieren gemeinsam und unterstützen sich durch ihre Forschungsarbeit.

33 Projekte zu Raubkunst in Arbeit

Insgesamt arbeitet der Verbund derzeit an 36 Projekten. Ein beispielhaftes Vorhaben steht kurz vor dem Abschluss: Nach rund einjähriger Recherche kann das Gemälde „Fischerboote bei Frauenchiemsee“ von Joseph Wopfner, das die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in ihrer Obhut haben, an die Erben nach dem Nürnberger Unternehmer Alfred Isay zurückerstattet werden. Eine bereits geplante Übergabe konnte aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr stattfinden und musste vertagt werden. Durch die aktive Forschung des Verbundes wurden im vergangenen Jahr zudem über 120 Objekte oder Objektgruppen aus bayerischen Museen und Bibliotheken, bei denen ein begründeter Verdacht auf Raubkunst besteht, auf der Internetplattform lostart.de eingetragen, einem zentralen Rechercheinstrument für Raubgut. Die Veröffentlichung der Rechercheergebnisse dient der Transparenz und ermöglicht es, gesuchte Objekte von der ganzen Welt aus zu finden. 

Zur Zusammenarbeit der Mitglieder erklärte der Vorsitzende des Forschungsverbundes, Dr. Johannes Gramlich: „Sie ermöglicht uns aufgrund der unterschiedlichen, am Verbund beteiligten Einrichtungen eine professionelle und breit aufgestellte Forschung. Neben unserer Hauptaufgabe, der Provenienzforschung im engeren Sinn, betreiben zum Beispiel unsere universitären und außeruniversitären Institutionen Forschungsprojekte zu Kunsthändlern, zu Kunstsammlern und zum Kunstmarkt der NS-Zeit und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung. Unsere Archive wiederum betreuen relevante Quellenbestände, die für die objektbezogenen Recherchen und die Grundlagenforschung gleichermaßen von Bedeutung sind.“ Die im Bericht dargestellten Ergebnisse zeigen, so Gramlich, dass Bayern eine „lebendige und wichtige Region für Provenienzforschung“ im nationalen und internationalen Zusammenhang sei.

Der Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern legt jedes Jahr einen aktuellen Tätigkeitsbericht über seine umfangreichen Aktivitäten vor, der auch auf seiner Webseite veröffentlicht wird und dort heruntergeladen werden kann. Wesentlicher Förderer ist der Freistaat Bayern. Wichtige Projektförderung kommt zudem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, eine von Bund und den Ländern sowie von den drei kommunalen Spitzenverbänden errichtete Einrichtung.

 

Weitere Informationen zum Forschungsverbund: https://www.provenienzforschungsverbund-bayern.de/

 

Ein Foto von der Vorstellung des Berichts steht zum kostenfreien Download zur Verfügung unter: https://www.stmwk.bayern.de/ministerium/minister-fuer-wissenschaft-und-kunst/bilder.html

 

Kathrin Gallitz, Pressesprecherin, 089 2186 2057

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