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Frage an die Leser*innen

– hat Kunst schon mal dein

Leben verändert?

Kunst kann ästhetischer Genuss sein und die Wahrnehmung verfeinern. Kunst darf

gefallen. Sie kann aber auch verunsichern, gar schockieren und den Menschen

verwandeln. Franz Kafka formulierte als Qualitätsanspruch: »Ein Buch muss die

Axt sein für das gefrorene Meer in uns.« Kunst kann die Sicht auf die Welt, eine

gefestigte, womöglich verhärtete Betrachtungsweise aufweichen, erschüttern, zer-

schlagen. Kunst hinterfragt Vorurteile. Wenn man sich auf Kunst einlässt, öffnen

sich neue Perspektiven, erweitert sich der Horizont. Wenn Kunst das Leben des ein-

zelnen Menschen verwandelt, wäre ein erster Schritt hin zur Veränderung der

Welt getan. Dies trifft auf den Künstler selbst ebenso zu wie auf den Kunstliebhaber.

Philipp Eder

Veränderung kann eine spontane oder

auch schleichend beständige Dynamik

haben.

Musik und insbesondere dieMöglichkeit

zur aktiven Ausübung prägen viele wich-

tige Weichenstellungen meines Lebens.

Im Umfeld des Musizierens sind mir

die wichtigsten Schlüsselpersonen mei-

nes Lebens begegnet. Der Grund wurde

ganz am Anfang meines Lebens gelegt:

Neben dem Singen mit der Mutter durch

den Tag hindurch hat mich ein allabend-

liches Ritual – beginnend im Kleinkind-

alter – hin zu meiner eigenen kulturellen

Erlebenswelt und einem ästhetischen

Empfinden geführt und so mein Sein ge-

formt für die späteren Entwicklungen

und Veränderungen meines Lebens. Ich

habe jeden Tagmeinen Vater aus demBü-

ro kommend bereits an der Haustür mit

meinem Liederbuch »Sang & Klang fürs

Kinderherzl empfangen. Danach folgte

auf seinemSchoß sitzend undmeineHän-

de auf die seinen gelegt ein ritualisiertes

Wunschkonzert durch die von Engelbert

Humperdinck kunstvoll und mit inniger

Empfindung gestalteten Arrangements

der bekanntesten Kinderlieder aus alter

Zeit. Und gleichzeitig konnte ich mich in

die Bilder von Paul Hey hineinträumen,

die allesamt große Menschenfreund-

lichkeit und Geborgenheit ausstrahlen.

Später als größeres Kind waren meine

bescheidenen Versuche, mich musika-

lisch und malend auszudrücken, immer

erkennbar von diesen beiden Künstlern

inspiriert. Ich bin auch heute noch dank-

bar für ihr Werk und die liebevolle Ver-

mittlung durch meine Eltern.

Veronika Schöner

Nach einer längeren Phase in meinem

Leben, in der ich viele großartige künst-

lerische Erlebnisse als Rezipientin hatte,

hat derMoment mein Lebenwirklich ver-

ändert, in dem ich begonnen habe, selbst

künstlerisch aktiv zu sein. Als Chorsänge-

rin habe ich vor allem J. S. BachsWerke in

einer ganz anderen Tiefe erfahren dürfen.

Das gemeinsame Singen schafft Verbun-

denheit, schließlich habe ich über das Sin-

gen auch mein privates Glück gefunden.

Julia Knapp

Kunst macht für mich etwas sichtbar, wo-

von ich zuvor gar nicht wusste, dass es

unsichtbar ist. Das empfinde ich bei der

bildenden Kunst –wenn der Blick auf ein

Motiv gerichtet wird, das man schon so

oft gesehen, aber doch nie wahrgenom-

men hat, wie auch bei der Literatur. Den

Autor Hermann Lenz zu lesen hat mir

meine schwäbische Heimat in einer bei-

nahe schmerzlich intensiven Weise nä-

her gebracht als alles andere zuvor, von

Gertrud Leutenegger gibt es leuchtende

Sätze, die noch lange in mir nachklingen

werden – um nur zwei Beispiele zu nen-

nen. Diese schlagartige Erkenntnis, dass

das Werk eines anderen, meist ja voll-

kommen Unbekannten, Relevanz hat für

das eigene Leben, dass es eingreift in das

eigene Empfinden, dieWertesysteme ein-

fach beeinflusst und das Verständnis von

Begrifflichkeiten umkrempelt, ist jedes

Mal ein kleiner Schock, eine verstörende,

beglückende Begegnungmit demeigenen

Resonanzraum.

Unsere Frage an die Leser*innen richtet

sich ab jetzt in jedem Heft direkt an Sie.

Senden Sie uns Ihre Antwort direkt an

Redaktion.Aviso@stmwk.bayern.de.

Im

kommenden Heft möchten wir von Ihnen

wissen:

Bereichern digitale Medien Ihr

Kunsterleben?

Wir sind gespannt auf Ihre

Antworten!

Frage an die Leser*innen

Ihre Aviso-Redaktion