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Ein kurzer Rüssel und ein seltsam anmutendes

Haus auf dem Rücken: Was hat es mit dem

Elefantenleuchter auf sich, der im Germanischen

Nationalmuseum in Nürnberg steht?

Luis Horber ist neun Jahre alt

und geht in die 4. Klasse der

Grundschule Denklingen.

Elefanten kennt er aus Filmen,

Büchern und aus dem Zoo.

Er liebt es, durch Museen zu

streifen, sein Favorit ist das

Museum Mensch und Natur.

Im Germanischen National-

museum war er leider noch

nie, den Leuchter hat er als

Foto kennengelernt.

Dr. Ursula Mende ist Kunst-

historikerin und Expertin für

Bronzefiguren. Der Elefanten-

leuchter ist ihr besonders ans

Herz gewachsen und ziert

den Titel ihrer Publikation über

mittelalterliche Bronzen im

Germanischen Nationalmu-

seum. Doch auch die lebenden

Elefanten faszinieren Mende,

vor allem wegen ihres ausge-

prägten Sozialverhaltens.

Fernseh-Dokumentationen

über die sanften Riesen

guckt sie mit großem Interesse.

Luis Horber: Auf demBild sieht man ein Tier, das aussieht wie ein Elefant.

Allerdings passen die Ohren nicht ganz zu einem Elefanten. Irgendwie ko-

misch schaut das Tier aus, denn die Proportionen passen nicht zueinander.

Das Tiermuss schwer schleppen. Es trägt auf demRücken einenKirchturm

mit einer Aussichtsplattform oben drauf. Diese Plattform sieht aus, als wä-

ren das Burgzinnen. Auf der Aussichtsplattform steht einMann, der einen

Turban trägt und einen Bogen in der Hand hält. Der Mann schaut nach

vorne, als würde er die Umgebung beobachten oder auf irgendwas warten.

Es scheint ein kleines Ausstellungsstück aus Metall zu sein, ich würde ver-

muten, es stammt aus Afrika. Ich glaube das ist ein Dekorationsstück, kein

Gebrauchsgegenstand. Aber vielleicht wurde das auch als Kerzenständer

verwendet.

Ursula Mende: Ist das wirklich ein Elefant? Die wichtigsten Kennzeichen

eines Elefanten, Rüssel und Stoßzähne, sind nur zu ahnen. Stattdessen

scheint es sich hier eher um ein Pferd zu handeln, gedrungener in den Pro-

portionen, mit nur kurzem Hals, mit Hufen, einem langen Schwanz, mit

spitzen Ohren und übergroßen Augen. Das Maul wird verlängert durch

ein Gebilde, das den Rüssel meint, aber einem gebogenen langen Schnabel

gleicht. Seitlich aus demMaul ragende Häkchen deuten die Stoßzähne an.

Dargestellt ist ein Kriegselefant, der einenmit Gurten befestigen Schlacht-

turm trägt, bestehend aus einemhausförmigenUntergeschoss, einemTurm

darüber und einer auskragenden übereck gestellten Plattform. Die Platt-

form istmit Zinnen versehen; diese dienen an der vorderen Spitze als Brust-

wehr für einen hier kniendenBogenschützen. SeineWaffe ist verbogen, aber

man erkennt deutlich, wie er mit der Linken den Bogen umgreift und mit

der Rechten die Sehne spannt mit dem eingelegten Pfeil, dessen vordere

Hälfte weggebrochen ist.

Warum ein Kunstwerk als Kerzenständer? Mittig auf dem Schlachtturm

auf seinemRücken befindet sich der – ursprünglich längere –Kerzendorn,

die umlaufende Plattform diente als Traufschale für die Kerze. Vermutlich

diente er als Leuchter im profanen Bereich, nicht als Sakralgerät. Durch

alle Zeiten und in allen Kulturen lässt sich beobachten, wie schöpferische

Phantasie auch Gebrauchsgeräte in die Möglichkeiten kunstvoller Gestal-

tung einbezieht. Ein Beispiel ist dieser phantastisch erscheinende Elefant,

der als Leuchter diente – zugleich ist er ein reizvoller Vertreter romanischer

Tierplastik.

Das Erklärstück

Das Erklärstück

– Elefantenleuchter

Ein Erklärstück ist eigentlich ein Medienbeitrag,

der einen komplexen Sachverhalt verständlich

darstellt. Aviso nimmt den Begriff wörtlich: Je-

mand schaut ein Kultur-Ding unbefangen an.

Eine Fachperson erklärt, was esdamit auf sich hat.