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Im Großen freut mich: die Idee Europa.

Ein friedvolles Miteinander von über 700

Mio. Menschen – trotz aller zu lösender

Probleme.Umsomehrmüssenwir die Idee

gegenüber Angriffen verteidigen, die sie

abschaffenmöchten. iNoman is an island.

No country by itselfl, schrieb Wolfgang

Tillmans auf seinePlakat-Kampagne gegen

den Brexit. Greiwar wird Europa in dem,

was uns selbstverständlich scheint, aber

gar nicht ist: sich frei bewegen zu können,

über verschiedene Kulturräume hinweg.

So viele Landstriche Frankreichs habe ich

mitmeiner Familie bereist unddort Freun-

de gewonnen. Sich dem Fremden auszu-

setzen, verwandelt das Fremde inHeimat

– dabei begegnet man sich selbst.

Jedes Woche bin ich aufs Neue froh, an

der Akademie der Bildenden Künste

Nürnberg arbeiten und lehren zu dürfen.

Dieser unvergleichliche Ort der Moder-

ne, von Sep Ruf erdacht, übersetzt Hu-

manität undDemokratie in Transparenz.

Natur fließt hier ins Gebäude hinein. Pa-

villons gehen in Licht, Vogelstimmen,

Grün über. Damit hat uns Ruf vor rund 70

Jahren einen offenen Raum für Entwick-

lung gegeben. Und er traf aufWiderstand

– Adenauer diskreditierte Rufs Kanzler-

bungalow in Bonn, den sein Nachfolger

Ludwig Erhard beauftragt hatte, mit dem

Satz: „Ich weiß nicht, welcher Architekt

den Bungalow gebaut hat, aber der ver-

dient zehn Jahre.“

Für Dinge einzustehen, die gesellschaft-

liche Relevanz haben, prägt auch mein

Amt als Präsident der Hochschule. So

setze ich mich für den Verbleib der Aus-

bildung von KunstpädagogInnen an den

Kunstakademien in Bayern ein: Denn in

Gymnasien sollten LehrerInnen das Fach

Kunst lehren, die selbst KünstlerInnen

sind – und damit eine Eigenständigkeit,

wie die Akademie sie lehrt, in den Lehr-

betrieb einbringen. Diese darf auch wi-

derständig sein, Vorhersehbarkeit und

Mittelmaß durchkreuzen. Erst Jahre nach

meiner Zeit am Gymnasium und meiner

Ausbildung zumTischler erkannte ich die

Werte und Qualität, die mir mein Kunst-

lehrer vermittelt hatte.

Was wir gerade in Händen halten, ist das

neue Aviso: Es strahlt Leichtigkeit und

Inspiriertheit aus, die überrascht und

innehalten lässt. Gemeinsam mit der

aviso-Redaktion haben wir – der Fach-

bereichGrafik-Design/Visuelle Kommu-

nikation mit der Studierenden Sabrina

Zeltner – das Magazinformat weiterent-

wickelt. Es verbindet das Unvermittelte,

Entwaffnende, auch Konfrontative der

Kunst mit dem freien Geist von Lyrik,

Literatur, Wissenschaft und Forschung.

Es freut mich besonders, dass die junge

Kunst im neuen Aviso verstärkt sichtbar

wird.

Die Kunstakademie ist ein Möglich-

keitsraum, wo Andersdenken und In-

fragestellen ohne wirtschaftliche Ab-

hängigkeiten zum Kern des Studiums

gehören. Es freut mich, wenn ich dazu

etwas beitragen kann.

Worauf ich mich freue

– Möglichkeitsräume

Professor Holger Felten, geb. 1968 in

Stuttgart, Studium Grafik-Design an der

Staatlichen Akademie der Bildenden

Künste Stuttgart, fester und freier Mitar-

beiter bei Heye & Partner, Gruner + Jahr,

Condé Nast Verlag, Burda Verlag, SZ Magazin,

2002 Gründung von Rose Pistola / Büro

für Konzeption und Gestaltung, München.

Worauf ich mich freue

Foto: Michael Ullrich

Holger Felten, Präsident der Akademie der Bildenden Künste

in Nürnberg, über die Dinge, die die Akademie bewegen werden