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wirtschaft. An dieser wird sich wenig ändern lassen.

Blühstreifen sind etwas fürs Auge. Den Lerchen, Gold-

ammern und Kiebitzen reichen sie nicht. Sie brauchen

größere, ungedüngte und giftfreie Flächen. Blumen am

Wegrand sind ein Anfang; ein Augenöffner, der Schön-

heit ahnen lässt. Die Landwirtschaft verödet nicht allein

die Natur. Sehr viel vernichten kommunale und staat-

liche Pflegemaßnahmen. Flächen an Straßen, die nichts

mit der Verkehrssicherheit zu tun haben, Böschungen

undDämme werden radikal gemäht, wenn Blumen blü-

hen, Schmetterlinge fliegen undVögel nisten. Mehrfach

im Jahreslauf. Damit bloß keinEindruck von iVerwilde-

rungl entsteht und sich die teueren Spezialmaschinen

rechnen. Diese Pflegemaßnahmen kosten viel Geld! Sie

sind größtenteils unnötig, weil es nur darum geht, das

Zuwachsen zu verhindern. Betroffen sind Flächen, die

nichts zu produzieren haben. Entlang von Autobahnen,

Bahntrassen und Kanälen bilden sie ein bedeutendes

Netzwerk der Verknüpfung von Biotopen. Vorgaben

zu sachgemäßer Pflege und tatsächliche Durchführung

liegen oft weit auseinander. Verhackstückt werden beim

Mähen auch Eidechsen, Kröten, Blindschleichen, Nat-

tern und Vogelnester. Verkehrsinseln werdenmit Gülle

geflutet, damit oft gemäht werden kann. Sogar imStaats-

wald werden die Ränder der Forststraßen der Totalra-

sur unterzogen, wenn Blumen blühen, Hummeln und

Schmetterlinge fliegen. Staat und Kommunen sollten

mit gutem Beispiel vorangehen – und enorm Kosten

sparen zugunsten der Artenvielfalt.

Wiese statt Rasen!

Das ist fürmich eine der effektivstenÄnderungen, die je-

der von uns unterstützen oder selber beeinflussen kann.

Man kann sich ja doch angewöhnen, das Gänseblüm-

chen, das Veilchen und die vielen anderen unscheinba-

ren Kräuter in Frieden ihr Dasein fristen zu lassen, statt

ihnen alle paar Tage die Köpfe abzumähen. Mit Blüten

sind öffentliche Grasflächen doch so viel schöner! Ein

anderer wichtiger Aspekt, zu demwir als wählende Bür-

ger beitragen können, ist, uns für zukunftsweisende Kin-

derspielflächen einzusetzen. Ich fände es toll, wenn auf

Spielplätzenmehr offene Flächenwären, womitMatsch

und Sand gespielt werden darf (da müssen natürlich die

Hunde draußen bleiben) und auch Hochbeete, also ein-

gefasste erhöhte Beete, in denenKinder entweder selber

Samen stecken könnten oder in denen Kräuter ausge-

bracht wären. Und eben nicht Zierpflanzen, sondern

heimische jUnkräuter‹ wie Wundklee, Thymian, Klee,

Gänseblümchen oder Salbei. Wenn dann noch etwas zu

den deutschen Namen, dem Aussehen und der Biologie

vonAllerweltspflanzen zu sehen und zu lesenwäre, inter-

essierte das sicher auch die älteren Spielplatzbesucher.

Natürlich keine endlosen belehrendenTexte. Spielplatz-

bau ist eine hohe Kunst und unterliegt vielen Auflagen,

aber ich denke, solche erhöhten Beete wären möglich

und ein Gewinn für Kinder und Erwachsene.

Mut zur Artenforschung!

Was stirbt wo? Wir wissen es meist nicht. Weder vor

unserer Haustür noch sonst wo. Weil wir nicht einmal

wissen, ob es 2, 10 oder gar 100Millionen Tierarten auf

dem Planeten gibt. Von »Mikroben« ganz zu schwei-

gen. Artenforschung wurde jahrzehntelang unterfinan-

ziert undwird noch immer sträflichmissachtet. Derweil

werden die meisten Arten selten und sterben dann aus,

unbemerkt. Weil wir riesige Lebensräume zerstören,

vergiften und verschmutzen, befinden wir uns im 6.

Massensterben der Erdgeschichte. Gar nicht gut. Denn

die Biokrise, der Schwund von Biomasse und Arten,

das Versagen der Ökosysteme und ihrer Funktionen

kommt wohl schneller und heftiger daher als der Klima-

wandel, und sie befeuern sich gegenseitig. »Unsere Na-

tur stirbt«, überall, und auch gesellschaftliche Systeme

werden instabil. Es droht der globale Kollaps noch vor

dem Jahr 2050. Was also tun?

Wir müssen die Natur UND das Klima sofort und um-

fassend weltweit schützen. Für solchen Sinneswandel

braucht es Fakten, Information und möglichst positive

Emotionen aller. Das Angebot der Artenforscher: Ma-

chen wir endlich eine Inventur ALLER Arten, ihrer

Lebensräume, Lebensweisen und ihrer Erbsubstanzen.

Geben wir den bedrohten ArtenNamen, Gesichter und

Geschichten – eine Existenz! Stellen wir ihre Schönheit

millionenfach ins Rampenlicht und entdecken wir mög-

lichst viele ihrer Fähigkeiten und Geheimnisse, bevor

sie auf Nimmerwiedersehen vernichtet werden. Ma-

chen wir Expeditionen und Schutzbemühungen per-

sönlich, online und weltweit erlebbar. Nehmen wir die

Thema LandLeben

Insekten haben

keine Lobby. Das

Insektensterben

hat ähnlich dra-

matische Auswir-

kungen wie der

Klimawandel.

SR

MS