Pressemitteilung Nr. 207 vom 22.08.2019 Kunstförderpreis 2019 für aufstrebende Talente der jungen Bildenden Kunst in Bayern

Kunstminister Bernd Sibler gibt fünf Preisträgerinnen und Preisträger bekannt – „Ihre Werke zeichnen sich durch Kreativität, Komplexität und Scharfsinnigkeit aus“

MÜNCHEN. Den Kunstförderpreis 2019 in der Sparte „Bildende Kunst“ erhalten in diesem Jahr die beiden Münchner Izabela Tarasewicz und Alexi Tsioris sowie Jonas Tröger aus Baiersdorf und Sebastian Tröger aus Nürnberg. Den diesjährigen Spezialpreis „Künstlerisches Handeln im öffentlichen Raum“ erhält Cana Bilir-Meier aus München. Das gab Kunstminister Bernd Sibler heute bekannt. „Die Preisträgerinnen und Preisträger gehören zu den aufstrebenden Talenten der jungen Bildenden Kunst in Bayern. Ihre Werke zeichnen sich durch Kreativität, Komplexität und Scharfsinnigkeit aus. Sie fordern die Betrachter durch ihren Tiefgang und stoßen damit wichtige Denk-, Lern- und Erkenntnisprozesse in der Gesellschaft an. Mit dem Kunstförderpreis wollen wir diese künstlerische Kraft würdigen und die Künstlerinnen und Künstler in ihrem Schaffen unterstützen“, betonte Staatsminister Sibler.

Der Bayerische Kunstförderpreis in der Sparte „Bildende Kunst“ soll Anerkennung für das bisherige künstlerische Wirken begabter Nachwuchskünstlerinnen und -künstler und Ansporn für ihr künftiges Schaffen sein. Jedes Jahr verleiht der Freistaat insgesamt bis zu 16 Kunstförderpreise in den Sparten „Bildende Kunst“, „Musik und Tanz“, „Literatur“ und „Darstellende Kunst“. Die ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstler, Duos oder auch Ensembles werden dabei von einem jeweiligen Fachgremium vorgeschlagen. Die maximal 40 Jahre alten Preisträgerinnen und Preisträger zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Begabung aus, die sie bereits unter Beweis stellen konnten. Die Preise für Einzelkünstlerinnen und -künstler sind mit je bis zu 6.000 Euro dotiert, für Ensembles mit 10.000 Euro. Die Verleihung der diesjährigen „Bayerischen Kunstförderpreise“ findet am 19. November 2019 im Cuvilliéstheater in München statt.

Informationen zu den einzelnen Preisträgerinnen und Preisträgern der Sparte „Bildende Kunst“ für den „Bayerischen Kunstförderpreis 2019“:

Iza Tarasewicz

Die Bildhauerin Iza Tarasewicz, geboren 1981 in Bialystok, Polen, machte 2008 ihren Abschluss an der Fakultät für Skulptur und Performancekunst der Akademie der Schönen Künste in Poznan. Sie wird bis heute von der Erfahrung beeinflusst, auf dem Land im Osten Polens aufgewachsen zu sein. Ihre post-konzeptuellen Objekte und Installationen erinnern an naturwissenschaftliche Modelle und Versuchsanordnungen, aber auch an die Spuren menschlichen Lebens in der Natur. Mit großer Sensibilität für Raum und Proportionen arrangiert sie organische und anorganische Materialien wie oxidierten Stahl, Zement, Asche, Pigmente, Hanffasern oder Pilze zu durchlässigen, oft schwebenden Formationen. Ihre modularen Strukturen verharren am Übergang von Ordnung zu Entropie, also an dem Moment, wo lineare Logik in Dynamik und Energie umschlägt und gleichzeitig eine Rückkehr in den Urzustand unmöglich geworden ist. Damit schaffe Iza Tarasewicz, so die Jury, ein eindrückliches Bild für das Erdzeitalter des Anthropozäns, dem der Mensch unwiderruflich seine Spuren auferlegt hat.

Jonas Tröger

Jonas Tröger, geboren 1991 in Erlangen, hat von 2011 bis 2018 Kunsterziehung und Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg studiert. Von 2014 bis 2015 absolvierte er zudem ein Studium der Transmedialen Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Die multimedialen Installationen von Jonas Tröger kreisen um den Begriff der Kreation und erforschen dabei sowohl die künstlerischen wie auch die evolutionären und technologischen Implikationen dieses Begriffs. So entsteht ein sich immer weiter verzweigendes Netz aus Referenzen und Wissensgebieten, in dem die Verhältnisse von Natur, Kultur und Technik, Zufall und Intentionalität und von Produktion, Prozess, und Übersetzung als immer wiederkehrende Spiegelachsen auftreten, entlang derer Tröger sein künstlerisches Material anordnet. An Jonas Trögers Präsentation beeindruckte die Jury insbesondere die Originalität der Umsetzung und die thematische Breite und Komplexität, die Fragen der künstlerischen Produktion und Distribution, die er vor dem Hintergrund von Museologie, Kulturgeschichte, Kolonialismus, Science-Fiction und High-Tech verhandelt.

Sebastian Tröger

Der Maler Sebastian Tröger, geboren 1986 in Erlangen, lebt und arbeitet heute in Nürnberg. Er hat wie sein jüngerer Bruder Jonas Tröger Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg studiert und schloss sein Studium 2014 mit dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien ab. Als Maler, Musiker, Performer und Kurator vermengen und durchdringen sich die Ergebnisse seiner Arbeit. Seine Bilder wandern zunehmend weg von Wänden, bevölkern den Ausstellungsraum, umzingeln den Betrachter, werden zu Skulpturen. Dazu kommen Installationen aus Kartonage, die durch ihren Auftritt als Figuranten Ideen von Ausstellungssituationen samt Mobiliar vermitteln. Nicht selten wird ein solch komplexes Arrangement im Rahmen einer Performance durch eine akustische Improvisation am Thema ergänzt. Die Jury würdigte die komplexe Durchdringung von Wort und Bild, die in ihrem teilweise fröhlich, respektlosen Umgang mit Inhalt und Material sich in Form einer meist überraschenden intellektuellen Wendung mit den Dilemmata von Kunst und deren Rezeption durchaus humorvoll befreiend auseinandersetzt.

Alexi Tsioris

Der Künstler Alexi Tsioris, geboren 1982 in Athen, hat von 2002 bis 2009 an der Akademie der Bildenden Künste München studiert. Der Künstler erachtet seine Zeichnungen als das Wurzelwerk seiner Arbeit. Eine besondere Faszination übt der Abstraktionsgrad von prähistorischen Höhlenzeichnungen wie etwa denen von Lascaux bei ihm aus. Seit 2006 entstanden so zahlreiche Blätter, überwiegend mit Filzstift, Bleistift und Kugelschreiber gezeichnet. Über die Zeichnung ist der Künstler letztlich zur Skulptur gelangt. Für plastische Arbeiten verwendet er insbesondere das Material Gips. In einem weitgehend gegenstandsfernen, nicht mimetischen Sinn entstehen dreidimensionale Gebilde, die immer wieder an Büsten oder anonyme Kopfformen erinnern. Aus den Werken dieses griechischen Bayern, so die Jury, strahle eine überaus eigene Poesie: In Technik und Vorgehensweise von eher traditioneller Faktur, seien sie gleichwohl Zeugnisse ihrer Zeit: Schöpfungen, in deren künstlerischer Form sich Klassisches kongenial mit dem Exzentrischen, dem Kuriosen, Fremden und Extravaganten verbinde.

Cana Bilir-Meier

Cana Bilir-Meier, geboren 1986 in München, hat von 2009 bis 2017 Künstlerisches Lehramt sowie Kunst und Digitale Medien an der Akademie der Bildenden Künste Wien studiert. Sie ergänzte ihr Studium durch das Studium Art und Theorie an der Sabaci Universität Istanbul sowie eine filmische Ausbildung an der Schule für unabhängigen Film Kubelka Wien. Ihr methodisches Vorgehen impliziert immer wieder eine kritische Beschäftigung mit Ausgrenzung und Integration, wie auch mit (institutionalisierter) Gewalt. Dies manifestiert sich in Zeichnungen, Performances, in audio-visuellen Medien und im Film. Mitunter greift sie handelnd in den öffentlichen Raum ein wie bei der Grundsteinlegung in der Freimann-Moschee im Rahmen von Public Art Munich, 2018. Ihr künstlerisches Handeln im Öffentlichen Raum sollte jedoch, so die Jury, im übertragenen Sinne verstanden werden, insbesondere wenn sie sich gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit widmet. In „Semra Ertan“ (2013) thematisiert sie beispielsweise den Freitod durch Verbrennung einer Gastarbeiterin, ihrer Tante, 1982 in Hamburg als Zeichen des Protests gegen einen zunehmenden Rassismus in unserem Land. So finden gelebte Erinnerungen ihrer Familienmitglieder mit politischen Fragen einer jüngeren Geschichte und Gegenwart zusammen. Letztlich gehe es Bilir-Meier um das Erzählen als Mittel des Öffentlich-Machens zwischen ihrem biografischen Kontext und den großen gesellschaftlichen Narrativen.

Dr. Bianca Preis, Sprecherin, 089 2186 2862

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