Pressemitteilung Nr. 075 vom 10.04.2019 Kunstminister Bernd Sibler zum 1. Internationalen Tag der Provenienzforschung - Transparenz und Bedauern über Fehlentscheidungen in der Nachkriegszeit - Bayerischer Forschungsverbund beteiligt sich an Aktionstag

Forschen, aufklären, restituieren

MÜNCHEN. „Transparenz“ ist für Kunstminister Bernd Sibler der Schlüsselbegriff bei der Aufarbeitung der Geschichte, die hinter dem Erwerb von Museumsexponaten steckt. Zum heutigen 1. Internationalen Tag der Provenienzforschung betont er: „Die Erforschung der Erwerbsgeschichte zählt zu den wichtigen Aufgaben unserer Museen im Freistaat. Restitutionsforderungen wollen wir umfassend nachgehen und aufklären. Hierbei forschen unsere Museen auch proaktiv. Den Fortschritt ihrer Recherchen stellen sie regelmäßig der Öffentlichkeit vor.“

Der 1. Internationale Tag der Provenienzforschung setzt sich zum Ziel, einer breiten Öffentlichkeit diese wichtige und vielschichtige Arbeit der Museen näher zu bringen. Initiator ist der Arbeitskreis für Provenienzforschung e. V., ein internationaler Zusammenschluss von über 270 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Sorgfältige Auseinandersetzung mit Herkunft und Erwerbsgeschichte

An dem Aktionstag beteiligen sich auch die Einrichtungen des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern (FPB). Dieser wurde 2015 ins Leben gerufen. Er dient der Vernetzung und dem Austausch aller staatlichen Institutionen, die sich mit Provenienzforschung befassen. „Ziel dieser arbeitsintensiven Forschungsarbeit ist es, verfolgungsbedingt entzogene Kunstgegenstände zurückzugeben oder gerechte Lösungen für eine Wiedergutmachung zu finden. Dies erfordert in jedem Einzelfall eine sorgfältige Auseinandersetzung mit Herkunft und Erwerbsgeschichte der Objekte und – wo möglich – einen engen Austausch mit den Opfern und ihren Erben“, so Minister Sibler.

Der Forschungsverbund Provenienzforschung legt jedes Jahr einen aktuellen Tätigkeitsbericht über seine umfangreichen Aktivitäten vor, der auch auf seiner Webseite veröffentlicht wird.

Provenienzforschung zu NS-Raubkunst – Sibler: Bedauern über Fehlentscheidungen in den 1960er Jahren

Für Minister Sibler ist die Aufarbeitung des Unrechts der NS-Zeit eine „fortdauernde ethische Verpflichtung“. Der Arbeit der Museen liegt die Washingtoner Erklärung zugrunde. Sie überprüfen ihre Bestände auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut: Kunstwerke, bei denen es sich möglicherweise um Raubkunst handelt, werden in der Datenbank lost.art veröffentlicht, Rechercheergebnisse immer wieder aktualisiert. So stellen beispielsweise die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in ihrem aktuellen Blog (https://www.pinakothek.de/blog) jüngste Rechercheergebnisse zu Kunst- und Kulturgütern vor, die dem Freistaat Bayern übereignet und später teilweise an NS-Funktionäre oder deren Familien zurückgegeben oder zurückverkauft wurden – sogenannte „Überweisungen aus Staatsbesitz“. Darunter seien beispielsweise auch zwei Werke aus der Sammlung Heinrich Hoffmann, die heute als NS-Raubkunst gelten. „Aus heutiger Sicht werte ich diese Verkäufe der 1960er Jahre als Fehlentscheidungen. Wir würden diese Entscheidung heute anders treffen. Ich bedauere dies ausdrücklich“, kommentiert Kunstminister Sibler die Rechercheergebnisse.

Für noch mehr Transparenz werden zudem die Zugangsbücher der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und des Bayerischen Nationalmuseums aus der Zeit des Nationalsozialismus für Recherchezwecke zeitnah online gestellt, wie Minister Sibler kürzlich bekannt gegeben hatte.

Provenienzforschung zu sterblichen Überresten und Objekten aus kolonialen Kontexten – Sibler: „historischer Verantwortung stellen“

In der Aufarbeitung des Kolonialismus sieht Minister Sibler „eine zentrale kulturpolitische Aufgabe“. Grundlage für die Arbeit der Museen ist hierbei u.a. der Leitfaden des Deutschen Museumsbunds. Der Austausch und Dialog mit den Staaten und Gesellschaften, aus denen die Objekte stammen, ist zentral. „In jedem Einzelfall gilt es, sich der historischen Verantwortung zu stellen und eine gewissenhafte und richtige Lösung zu finden“, so der Minister. Vorrang bei der Aufarbeitung des Sammlungsgutes kommt sterblichen Überresten aus kolonialen Kontexten zu. Erst gestern übergab Staatsminister Sibler den Leichnam eines indigenen Australiers an die Gimuy Walubara Yidindji Community, die Nachfahren des Urahnen, der im Museum Fünf Kontinente aufbewahrt wurde.

Informationen zu den Veranstaltungen bayerischer Museen zum 1. Internationalen Tag der Provenienzforschung finden sie hier:

 

Fotos zur Rückgabe der sterblichen Überreste eines indigenen Australiers an die Australische Regierung und die Gimuy Walubara Yidindji people stehen unter https://www.stmwk.bayern.de/ministerium/minister-fuer-wissenschaft-und-kunst/bilder.html zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Julia Graf, Stellv. Pressesprecherin, 089 2186 2621

Kathrin Gallitz, Pressesprecherin, 089 2186 2057

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