Provenienzforschung Internationaler Tag der Provenienzforschung 2021 - Kunstminister Sibler: „Ethische Verpflichtung und kulturpolitische Aufgabe“

Silberobjekte des 17. bis 19. Jahrhunderts aus jüdischem Eigentum
Silberobjekte des 17. bis 19. Jahrhunderts aus jüdischem Eigentum

Mit einer Reihe von Aktionen staatlicher Einrichtungen des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern (FPB) beteiligt sich der Freistaat am 3. Internationalen Tag der Provenienzforschung. Im Rahmen des Aktionstages am 14. April 2021 stellen kulturelle Einrichtungen ihre Arbeit auf dem Gebiet der Provenienzforschung mit Hilfe sozialer Medien und digitaler Präsentationsformen der Öffentlichkeit vor.

Kunstminister Bernd Sibler
Kunstminister Bernd Sibler

Kunstminister Bernd Sibler hob im Vorfeld des Aktionstages den besonderen Wert dieser Forschungsarbeit hervor: „Der Tag der Provenienzforschung führt uns allen die bedeutsame Arbeit der Provenienzforscherinnen und -forscher im In- und Ausland vor Augen. Unsere Museen im Freistaat engagieren sich in dieser Sache mit Nachdruck: In detektivischer Kleinarbeit decken sie die Geschichte von Sammlungsobjekten auf, fügen die einzelnen Puzzleteile zusammen und klären so Besitz- und Herkunftsverhältnisse. Sie finden rechtmäßige Eigentümer und machen so die Welt ein Stück gerechter. Dafür möchte ich am Tag der Provenienzforschung einmal Danke sagen. Ihre Arbeit ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch eine kulturpolitische Aufgabe.“

Initiator des Aktionstages ist der Arbeitskreis Provenienzforschung e. V., ein internationaler Zusammenschluss von über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Angebote von staatlicher Seite

Am „Internationalen Tag der Provenienzforschung 2021“ beteiligen sich auch die Einrichtungen des 2015 ins Leben gerufenen Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern (FPB). Der Forschungsverbund dient der Vernetzung und dem Austausch aller staatlichen Institutionen, die sich mit Provenienzforschung befassen. Auf Grundlage der Forschungsergebnisse wird jeweils geprüft, ob ein verfolgungsbedingter Entzug im Sinne der Washingtoner Erklärung vorliegt und ob die Voraussetzungen für eine Restitution gegeben sind.

Ein Zugang zu den Live-Veranstaltungen am 14. April ist kostenlos und ohne Voranmeldung möglich:

14. April – 9.45 bis 12.00 Uhr / Staatliche Archive Bayerns

Begrüßung / Vorstellung des Programms/ Videopräsentationen zu folgenden Themen:

  • Provenienzrecherche am Staatsarchiv München – Bestände, Suchstrategien und Service
  • Provenienzforschung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv – Bestände, Recherchemöglichkeiten, praktische Beispiele
  • Überlieferung der Gestapostelle Würzburg im Staatsarchiv Würzburg - Provenienzforschung und Originalerhalt
  • Jüdische Standesregister aus Bayern – Überlieferung, Digitalisierung, Quellenwert

14. April – 13.00 bis 14.00 Uhr / Bayerische Staatsgemäldesammlungen:

Provenienz Gurlitt: Was bedeutet das heute für uns?

Das Team der Provenienzforschung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BStGS) spricht in einem Live-Stream über die Frage „Provenienz Gurlitt:  Was bedeutet das heute für uns?“ Im Bestand der BStGS befinden sich verschiedene Gemälde, die in der NS-Zeit von Hildebrand Gurlitt gehandelt wurden. Einige dieser Werke gehörten einst zum Bestand von Hitlers „Sonderauftrag Linz“ oder waren Teil der nationalsozialistischen Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“. Als Protegé des Propagandaministeriums und Einkäufer im besetzen Frankreich hatte Gurlitt Zugriff auf diese Objekte. Expertinnen und Experten stellen die dichte Korrespondenz um diese Ankäufe vor und rekonstruieren, wer auf welche Weise in diese Ankaufsprozesse verwickelt war. Außerdem wird erläutert, wie die Informationen zu bewerten sind und was für Konsequenzen die Provenienz Gurlitt heute für uns hat.

14. April – 14.30 bis 16.00 Uhr / Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern:

Provenienzforschung – was ist das und wie geht das?

Eine Diskussionsrunde zum Thema „Provenienzforschung – was ist das und wie geht das?“ findet auf Initiative des Zentralinstituts für Kunstgeschichte im digitalen Raum statt. Im Modus eines „meet the expert“ kann man mit Provenienzforscherinnen und -forschern in Bayern ins Gespräch kommen. Was ist eine Objektbiografie? Auf welche Weise wurden Kulturgüter im Nationalsozialismus und in der Kolonialzeit verfolgungsbedingt entzogen? Welche Rolle spielt Provenienzforschung heute in Museen, Universitäten und auf dem Kunstmarkt? Diese und ähnliche Fragen können im Chat des Zoom-Meetings gestellt werden, und stellvertretend für die 23 Mitgliedsinstitutionen des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern werden eine Reihe von Expertinnen und Experten Rede und Antwort stehen.

14. April – 17.00 bis 18.30 Uhr / Haus der Kunst:

Die Künstlerkartei des „Hauses der Deutschen Kunst“

Im Haus der Kunst erfährt man im Rahmen eines Live-Online-Seminars Interessantes über „Die Künstlerkartei des ‚Hauses der Deutschen Kunst‘“. Die Künstlerkartei wurde 2004 bei der wissenschaftlichen Erschließung der Archivbestände des Haus der Kunst entdeckt. Sie gehört zu den zentralen Dokumenten der „Großen Deutschen Kunstausstellungen“. Über 9.000 Künstlerinnen und Künstler reichten Arbeiten zu den insgesamt acht Schauen im „Haus der Deutschen Kunst“ ein, die als wichtigste Werk- und Verkaufsschauen deutscher Kunst galten. Ab 1938 wurde jede Bewerbung in der Künstlerkartei registriert. Im Rahmen eines Kurzvortrages wird zunächst die Künstlerkartei, deren Hintergründe und Funktion erläutert. Außerdem werden verschiedene Recherchemöglichkeiten vorgestellt und diskutiert, welche Erkenntnisse dieses Dokument für eine öffentliche Auseinandersetzung mit NS-Kunst liefern kann. Das Seminar richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Publizistinnen und Publizisten, Studierende und historisch Interessierte, die ihr quellenkundliches Wissen über die Kunst und den Kunstbetrieb im Nationalsozialismus erweitern wollen. Durch das Live-Format haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jederzeit die Möglichkeit, Fragen – z.B. über einzelne Kunstschaffende – zu stellen. 

14. April – ab 18.30 Uhr / Bayerisches Nationalmuseum:

Die NS-Silberabgabe von 1939: Erbensuche, Zeitzeugen, Erinnerung an die Opfer (Veranstaltung in englischer Sprache)

Das Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München informiert in Kooperation mit dem Bayerischen Nationalmuseum in englischer Sprache über „Die NS-Silberabgabe von 1939: Erbensuche, Zeitzeugen, Erinnerung an die Opfer“. Seit 2019 sucht das Bayerische Nationalmuseum nach Erben von 112 Silberobjekten, die im Frühjahr 1939 im Rahmen einer NS-Zwangsmaßnahme 64 jüdischen Familien abgepresst wurden. Die Mehrzahl der Besitzer wurde später ein Opfer der Shoa. Zu 42 Familien konnte inzwischen ein Kontakt hergestellt werden, erste Objekte wurden restituiert. Am Internationalen Tag der Provenienzforschung macht das Bayerische Nationalmuseum auf dieses Projekt und seine diversen Unterstützer aufmerksam. Vor allem aber sollen Vertreter der betroffenen Familien zu Wort kommen. Darunter sind eine Urenkelin und ein Enkel, die noch lebendige Erinnerungen an die einstigen Besitzer und das München der 1930er-Jahre haben. Vertreter einer anderen Familie lesen aus Briefen von 1941/42 vor, die unmittelbar vor den Deportationen geschrieben wurden. Für eine weitere Familie wird ein Rabbiner aus New York ein Gebet für die Opfer singen. Familien von Israel bis Kalifornien werden zugeschaltet sein. Die gesamte Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Eine Aufzeichnung soll später auf der Webseite des Museums verfügbar sein.

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von zeitunabhängigen digitalen Präsentationen. Organisiert und durchgeführt werden diese von:

  • der Ludwig-Maximilians-Universität München,
  • dem Münchner Stadtmuseum,
  • dem Museum Fünf Kontinente,
  • dem Museum für Franken,
  • der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München und
  • dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte.

 

Nähere Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen, live wie auch zeitunabhängig, sowie zu den Zugangsmöglichkeiten finden Sie hier: https://provenienzforschungsverbund-bayern.de/

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