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aviso 2 | 2017

WO IST DIE ZUKUNFT GEBLIEBEN?

COLLOQUIUM

Text:

Michael Krüger

DASMOTTOUNSERER

Reihe des Nachdenkens über die Zukunft haben

wir einem der rätselhaften und zugleich glasklaren Fragmente von

Franz Kafka entnommen: »Bitte, Vater, lass doch die Zukunft noch

schlafen, wie sie es verdient. Wenn man sie nämlich vorzeitig weckt,

bekommt man dann eine verschlafene Gegenwart. Daß dir das aber

erst dein Sohn sagen muss!«

Der Zukunft wurde nicht immer die große Aufmerksamkeit zuteil,

die sie heute genießt. Aber seitdem sie sich »nicht mehr als ein offe-

ner Horizont von Möglichkeiten zeigt, aus demwir auswählen können,

sondern von Bedrohungen besetzt wird, die offenbar ebenso langsam

wie unaufhaltsam auf uns zukommen« (Hans Ulrich Gumbrecht), ver-

gessen wir gerne, »dass jede Gegenwart einmal eine Zukunft gewesen

war. ... Die Vergangenheit, so könnte man sagen, ist voll von nicht

eingetretenen Zukünften« (Konrad Paul Liessmann). Oder mit den

Worten des Komponisten Manfred Trojahn: »Zukunft gibt es nicht,

es wird nur immer wieder ... neue Gegenwarten geben, und die wer-

den nicht mehr unsere Gegenwarten sein.«

VIELLEICHT VERLIERT DIE

Zukunft ihren giftigen Stachel, wenn

man über sie nachdenkt und sie nicht nur einfach als Bedrohung emp-

findet? Der Theaterkritiker Peter Michalzik kam zu der lakonischen

Wo ist die

Sarka © Magdalena Jetelová