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aviso 1 | 2016

DINGWELTEN – UNIVERSITÄTEN ALS SAMMLER

BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE

verschiedensten repräsentativen Anlässen? Der Schiffspokal

Ferdinands etwa hatte beträchtlich unter den Einwirkungen

des Zweiten Weltkrieges gelitten; nach den großen Nöten

der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte man sich seiner

erbarmt und ihn demMünchner Goldschmied Pirzl überge-

ben, der ihn mit viel Aufwand überarbeitete. Bei der Rekto-

ratsübergabe 1954 nahmRektor Nikolaus Köstler das Prunk-

stück erneut auf in den Kreis akademischer Würden mit den

Worten: »In dieser festlichen Stunde wollen wir das vor uns

aufgestellte köstliche Kunstwerk als glückhaftes Omen einer

ferneren guten Fahrt der Ludwig-Maximilians-Universität

verstehen.« In den Folgejahren durfte aus ihr bei den Stif-

tungsfesten der LMU getrunken werden, was immerhin ein

besseres Schicksal war, als einst etwa in Konkurrenz zu NS-

Symbolen auf der Gästetafel des »Führer-Rektors« Wal-

ter Wüst zu stehen. Nicht etwa schnöde konservatorische

Bedenken, vielmehr die Studentenrevolten machten dann

dem traditionellen Treiben den Garaus.

DAVON BETROFFEN WAR

gleichermaßen der Gebrauch der

Szepter: auch sie hatten arg unter dem Krieg gelitten und

waren mit bemerkenswertem Aufwand wiederhergestellt wor-

den. Ihr Gebrauch etwa bei der Jahrhundertfeier der LMU

1926, bei der sie dem Festzug der Universitätsprofessoren

durch die Stadt vorangetragen wurden, hatte sicher noch ähn-

liche Symbolkraft wie einst bei Solemnitäten der Barockzeit.

Auch ihre Anwesenheit bei akademischen Feierlichkeiten in

den ersten Nachkriegsjahren kann man so sehen. Weit ent-

fernt dagegen vom ursprünglichen Sinn war die »Wiederbe-

lebung« der Stäbe ab den 1990er Jahren etwa bei Examens­

feiern. Ihre Anwesenheit mag man noch wohlwollend als vage

Sehnsucht oder zaghafte Annäherung an alte Traditionen

goutieren, die anschließenden Fotoshootings der glücklichen

Kandidaten neben Pedell und Szepter, möglichst in angelsäch-

sischem Talar und Doktorhut, dürften schlicht als Maskerade

gelten.

WAS IST DANN

aus Matrikelbuch und

Siegel geworden? Seit dem Eintrag des

Theodor Mair sind Abertausende wei-

tere Namen hinzugefügt worden, bis

ins frühe 20. Jahrhundert in weiteren

schweren Büchern – welche in der Ba-

rockzeit an prachtvoller Gestaltung das

erste Buch durchaus übertrafen – dann

in Karteien, und bis hin zum heutigen

Tage, wenn auch nur noch virtuell, in

der Datenbank der Studentenkanzlei.

Am Beginn dieser nunmehr schon 543

Jahre währenden ununterbrochenen

Kontinuität steht in der Tat das erste

Matrikelbuch und markiert als Insignie

den Beginn einer großartigen Universi-

tas, auch wenn deren materielle Form

heute im Immateriellen angelangt ist.

Gänzlich ohne Funktion sind heute die

spätmittelalterlichen Siegeltypare aus

Ingolstadt. Immerhin geistert mittler-

weile das alte Siegelbild mit Madonna

und Kind verschiedentlich durch die

rechts oben

Lacksiegel der

Medizinischen Fakultät Ingolstadt

mit den Fakultätspatronen

Kosmas und Damian.

darunter

Siegeltypar der

Philosophischen Fakultät Ingol-

stadt mit der Fakultätspatronin

Katharina.

darunter

Schatulle mit den

ältesten Siegeltyparen der

Universität Ingolstadt.

unten

Kassette der

Philosophischen Fakultät

Ingolstadt mit Wappen einzelner

Professoren, 1561.

Fotos: Universitätsarchiv München, Kustodie und Fotosammlung