|32|
aviso 4 | 2015
ZUKUNFT STADT
COLLOQUIUM
DER HYPE DES
städtischen Lebens ist seit Jahren
ein vielbeachtetes Phänomen in Deutschland. Ber-
lin als »the place to be«, Hamburg als »wachsende
Stadt«, München mit seiner Anziehungskraft für
Unternehmen und Neubewohner oder Münster
und Heidelberg mit ihren zahlreichen Studieren-
den prägen das Bild der Stadt als Ort der Erfüllung,
der Lebendigkeit und der Möglichkeiten. Auch die –
oft damit einhergehende – »Landflucht« auf Zeit
der Besserverdienenden, beispielsweise in die Bau-
ernhöfe der Uckermark rund um Berlin, sind häu-
fig Thema in den Medien oder in der Forschung.
Demgegenüber stehen die negativen Schlagzeilen zu
»schrumpfenden« Städten, verlassenen Landstri-
chen und mangelnden qualifizierten Arbeitskräften
in dünn besiedelten Gegenden. Heute leben mehr
als 60 % der deutschen Bevölkerung in Städten
mit weniger als 50000 Einwohnern. Gerade diese
Städte spüren die Auswirkungen von stagnieren-
der Wirtschaft, fehlenden Infrastrukturinvestiti-
onen, zunehmender Abwanderung junger Leute,
dem Niedergang führender Großindustrien, stei-
gender Arbeitslosigkeit und sozialer Polarisie-
rung. Bereits heute gibt es einzelne Kommunen
in Deutschland, die nicht einmal ihren Bestand
erhalten können.
UM IN ZUKUNFT
bestehen zu können und um die
Ursache-Wirkungsketten zu durchbrechen, müssen
sich Städte öffnen, sich ökonomisch reorganisieren
und eine neue Partizipationskultur leben. Ansätze
Auf dem Weg
zur Stadt
als Campus
Kooperative Stadtentwicklung
in der Mittelstadt
Text:
Sally Below und Mark Michaeli
hierfür gibt es immer mehr, sie zu verbreiten, die Methoden
zu kommunizieren undMut zu machen, neue Wege zu gehen,
ist neben der Arbeit so mancher engagierter Bürgermeister
und Stadtverwaltungen auch das Ziel von Initiativen wie dem
Netzwerk Stadt als Campus oder Studiengängen wie dem der
Urbanistik an der TU München.
Experiment Stadtalltag
Um die Zukunft gestaltbar zu erhalten, kommt es darauf an,
nicht auf den großen Investor zu warten, auf die Ausnahme-
situation, wie sie beispielsweise eine Internationale Bauaus-
stellung bietet, sondern dort anzusetzen, wo bereits Kräfte
vorhanden sind – im eigenen Ort, im alltäglichen Arbeiten
an den genannten Themen. Gerade in kleineren und Mit-
telstädten können es sich die Protagonisten nicht erlauben,
unter sich zu bleiben, oder sich in Szenen zurückzuziehen, dazu
sind sie zu wenige. Sie müssen mit anderen aus unterschied-
lichen Disziplinen, Herkünften oder auchWeltanschauungen
ebenso wie mit Politik und Verwaltung zusammenarbeiten,
um ihre Ziele zu erreichen. Hieraus entstehen neue Kräfte.
Ein Beispiel hierfür ist die Initiative VorOrt in Dessau-Roß-
lau, das regelmäßig auf dem letzten Platz im Städteranking in
Bezug auf Stimmung in der Bevölkerung und Altersdurch-
Fotos: Archiv VorOrt-Projekt