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Ressentiments nach der Wiedervereinigung
Anfang der 1990er Jahre gab es neuen Zündstoff in
den deutsch-israelischen Beziehungen. Schuld war
die Wiedervereinigung. Während der WM 1994 in
den USA begann in Israel eine neue Diskussion über
Deutschland. Auf einmal wurde das Deutschland von
heute wieder mit dem von gestern gleichgesetzt. Für
Genugtuung sorgte da der Sieg Bulgariens über die
deutsche Auswahl. Zimmermann erklärt die wieder
erstarkten Ressentiments als Reaktion auf die Wie-
dervereinigung und die rassistischen Ausschreitun-
gen in Deutschland zu jener Zeit: »Außerdem verlor
Israel damals seine alten Feinde. Nach dem Zusam-
menbruch des Kommunismus und dem zumindest
kurzzeitigen Frieden mit den Palästinensern griff
man einfach auf alte Feindbilder zurück.«
Israelis im Trikot der deutschen Nationalelf
Eine komplett andere Stimmung zeigte sich 2006
in Israel, als die WM in Deutschland stattfand.
Seitdem genießt das deutsche Team in Israel regel
recht Kultstatus. »DieWiedervereinigung hatte nicht
zum Aufkommen eines ›Vierten Reiches‹ geführt
und die Palästinenser waren wieder der Erzfeind.
Da war Deutschland als Feind weniger relevant«,
berichtet Zimmermann. Mittlerweile macht sich
in den israelischen Medien und der Bevölkerung
zunehmendeineGelassenheitgegenüberDeutschland
bemerkbar. »Was war, war«, ist nun eine weit verbrei-
tete Einstellung in Israel. Das zeigt sich mittler-
weile auch auf den Straßen Israels. Während der
Weltmeisterschaft 2014 tragen viele Israelis das Tri-
kot der deutschen Nationalelf – und niemand stört
sich daran.
Jüdisches Engagement für den Fußball
in Deutschland
Die Geschichte des deutschen Fußballs
und seiner Anfänge ist eng mit dem
Engagement von Juden für den Fußball
verbunden. ImKaiserreich und während
der Weimarer Republik waren viele als
Spieler, Trainer, Ärzte, Funktionäre oder
Mäzene aktiv, bevor sie ab 1933 von den
Nazis immer mehr aus dem Sport getrie-
ben wurden. Mit ihrem Sachverstand
trieben sie die Professionalität im Fuß-
ball voran. Auch in der Berichterstattung
lieferten Juden in Deutschland wichtige
Impulse. Der Journalist Walter Bense-
mann zum Beispiel gründete 1920 das
Sportmagazin »Kicker«, das bis heute
erscheint. Er war außerdem mit den
Brüdern Fred und Gus Manning an der
Gründung des Deutschen Fußball-Bun-
des (DFB) beteiligt.
LETZTERER SOLLTE SPÄTER
für den
deutschen Fußball noch eine wichtige
Rolle spielen, sonst hätte die Historie
einen anderen Lauf genommen. Der 1905
in die USA emigrierte Manning wurde
Präsident des US-Fußballverbands und
saß ab 1948 im Exekutivkomitee der
FIFA. Seinem Engagement hatte es der
aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
RESULTATE
Fotos: imago Sportfotodienst /Sportfotoagentur Horst Müller
links
Shmuel Rosenthal (Borussia
Mönchengladbach, r.) gegen Uli Hoeneß
(FC Bayern München, l.) in der Saison
1972/1973. Am 21. Oktober 1972 gewin-
nen die Bayern ihr Heimspiel 3:0.
daneben
Zum Abschluss einer einstün-
digen Gedenkfeier am 23. März 1987
legen Klaus Allofs (l.) und Lothar Matthäus
(2.v.l.) für die deutsche Fußballnational-
mannschaft sowie Rudi Bommer (2.v.r.)
und Alois Reinhardt (r.) für das Olympia-
Team im Beisein von DFB-Präsident
Hermann Neuberger (Mitte) Kränze für die
jüdischen Opfer des Nationalsozia-
lismus in der Gedenkstätte Yad Vashem in
Jerusalem nieder. Die deutschen Fuß-
baller treffen am 25. März 1987 zu Länder-
spielen in Tel Aviv auf Israels A- und
Olympia-Mannschaften.
daneben
Erstes Länderspiel zwischen
Deutschland (Olympia-Nationalmann-
schaft) und Israel (A-Auswahl), Frechen,
2. September 1969; links Mordechai
»Motti« Spiegler, Mitte Schiedsrichter
Theoodor Boosten (Niederlande), rechts
Erhard Ahmann, Linienrichter hinten
links Walter Eschweiler (Bonn), hinten
rechts Horst Bonacker (Bergheim);
Sportfotoagentur Horst Müller.
rechts
Günter Netzer (l.) mit Shmuel
Rosenthal (r.), Borussia Mönchenglad-
bachs Neuzugang aus Israel,
Aufnahmedatum: 9. September 1972.