aviso - Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern - page 41

|41 |
aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
COLLOQUIUM
Text:
Robert Bierschneider
EIN PROTOKOLLBUCH DER
israelitischen Kultusgemeinde Bad Brückenau, ver-
mutlich während der »Reichspogromnacht« am 8./9. November 1938 in das
damalige Bezirksamt Bad Brückenau verbracht, wird heute im Staatsarchiv
Würzburg aufbewahrt. Dort befinden sich auch umfangreiche Geschäftsunter-
lagen der jüdischen Weinhändlerfamilie Rindsberg aus Mainstockheim, die nach
Beschlagnahmung in der NS-Zeit beim Finanzamt Kitzingen gelagert waren. Die
ursprünglichen Eigentümer hatte man 1942 in den Osten deportiert und getötet.
Die Registratur des jüdischen Rechtsanwalts Dr. Richard Herz, 1943 im Kon-
zentrationslager Auschwitz ermordet, fand über eine Aktenabgabe des Amtsge-
richts Fürth den Weg in das Staatsarchiv Nürnberg. Diese Fälle von geraubtem
Kulturgut konnten die Staatlichen Archive Bayerns in den letzten Jahren an die
von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg betriebene
Datenbank »Lostart« melden.
Die Staatlichen Archive Bayerns sind bei der Provenienzforschung in zweierlei
Hinsicht involviert: Zum einen versuchen sie, wie die oben genannten Beispiele
zeigen, in ihren Beständen verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu ermit-
teln. Zum anderen verwahren sie in Ausführung ihres gesetzlichen Auftrags das
Quellenmaterial, welches für die Bemühungen anderer Kulturinstitutionen auf
diesem Gebiet von zentraler Bedeutung ist. In Verbindung mit den Beständen
von Kommunalarchiven und den Unterlagen des Bayerischen Wirtschaftsarchivs
konnten in den vergangenen Jahren renommierte internationale und nationale
Einrichtungen wie beispielsweise das Museum of Modern Art New York, die Stif-
© Staatsarchiv München
al zur Raubkunst
tung Preußischer Kulturbesitz oder die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
unterstützt werden. Einst klangvolle Namen wie die Kunsthandlungen Anna
Caspari oder Hugo Helbing, die Galerie Heinemann oder die Sammlung von Tho-
mas Manns Schwiegervater Alfred Pringsheim waren und sind dabei Gegenstand
provenienzforscherischer Tätigkeit.
BEI DEM VON
den staatlichen Archiven zur Verfügung gestellten Material
handelt es sich zum einen um Unterlagen von Behörden, die während des
NS-Regimes mit dem verfolgungsbedingten Entzug und der Verwaltung der Vermö-
1...,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40 42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,...52
Powered by FlippingBook