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aviso 1 | 2016
DINGWELTEN – UNIVERSITÄTEN ALS SAMMLER
COLLOQUIUM
Text:
Hans-Michael Körner
UM DES NATIONALPOLITISCHEN
Renommees willen
investierte Ludwig I. (1786–1868), König von Bayern von 1825
bis 1848, Engagement, Energie und Geld. Diese Konkurrenz-
fähigkeit wollte er in großer Öffentlichkeit demonstrieren.
Davon zeugen der Bau der Pinakotheken, der Glyptothek,
der Staatsbibliothek und der Residenz samt ihrer Ausstat-
tung, davon zeugen die großen Denkmalsinitiativen von der
Befreiungshalle bis zum Siegestor, die Ausmalung der Hof-
garten-Arkaden oder der Bau des Pompejanums bei Aschaf-
fenburg.
In den Horizont dieses nicht anders als gigantisch zu nennen-
den Programms fügt sich die Universitätspolitik des Königs
ein: Die Translation der Universität von Landshut nachMün-
chen sollte Ruhm und Dignität der Haupt- und Residenzstadt
zusätzlich erhöhen; die königliche Berufungspolitik zielte auf
die großen Namen und war der erwähnten Bereitschaft zur
Konkurrenz verpflichtet; die Universität wird nicht in einem
leer stehenden Gebäudekomplex untergebracht, vielmehr wird
der Neubau des Universitätsgebäudes am nördlichen Ende
der via triumphalis platziert, wo sich die Ludwigstraße zum
Universitätsforum weitet.
BEI ALLER WERTSCHÄTZUNG
und Privilegierung – und
die Verwendung des Possessivpronomens geschieht absichts-
voll – seiner Universität überschritt der König die damals
üblichen Grenzen der Zuneigung und Fürsorge deutlich. Die
korporative Qualität der Universität des 19. Jahrhunderts
wahrte in Selbstverständnis und Außenwahrnehmung eine
weit größere Distanz zum Staat als heute.
Der ludovizianische Raub
Wie die Münchner Universitätssammlungen zu Staatssammlungen wurden
oben
Physikalisches Kabinett der Universität München, Fotografie, um 1894. Die Sammlung des Physikalischen Kabinetts geht bis ins
16. Jahrhundert zurück. Die Forderung König Ludwigs I. von Bayern nach deren Ausgliederung blieb folgenlos: Die jüngeren Objekte befinden sich
noch heute bei der Universität, wohingegen der Altbestand seit 1904 als Dauerleihgabe der LMU im Deutschen Museum verwahrt wird.