11. September 1998

Kultusminister Zehetmair zum Schuljahresbeginn 1998/99:

Erstmals seit 1985 weniger ABC-Schützen; Trendwende auch bei den Klassengrößen an den Volksschulen: ein Drittel weniger Klassen über 30 Schüler; über 3 500 Lehrer werden eingestellt; Stundenkürzungen in der Grundschule werden zurückgenommen; Schulreform hat Priorität

Das Schuljahr 1998/99 bezeichnet in mehrerlei Hinsicht eine Trendwende. Die auffälligste zuerst: Erstmals seit 13 Jahren werden am kommenden Dienstag wieder weniger ABC-Schützen in die bayerischen Grundschulen drängen. Die Zahl der Schulanfänger sinkt um 2 650 auf insgesamt 134 500. Seit dem Schuljahr 1985/86 - damals zählten wir 103 450 Anfänger - war die Zahl der Erstklässler um 30 Prozent gestiegen. Eine Trendwende haben wir auch bei den Klassengrößen im Volksschulbereich: Im Schuljahr 1998/99 werden insgesamt 35 730 Klassen für die Schüler an öffentlichen und privaten Volksschulen gebildet. Dies bedeutet einen Zuwachs von 437 Klassen. Damit wurden nicht nur alle neuen Schüler in neuen Klassen versorgt, sondern wir konnten auch zusätzliche Klassen für die anderen Schüler einrichten. Dadurch konnte die Zahl der Klassen mit über 30 Schülern um mehr als ein Drittel reduziert werden - von bislang 5 Prozent auf nunmehr 3,1 Prozent. Der Abbau der großen Klassen wurde möglich, weil wir zusätzlich 500 Lehrkräfte beschäftigen können und weil der Schülerzuwachs geringer ausfiel als erwartet. Hilfreich war dabei auch, dass wir in der Hauptschule die Höchstgrenze bei der Klassenbildung von 33 auf 32 gesenkt haben. Die durchschnittliche Klassenstärke an den Grund- und Hauptschulen liegt im kommenden Schuljahr bei 24,15. Sie ist damit erneut, und zwar deutlich, gesunken (von 24,4 im Schuljahr 1996/97 und 24,3 im letzten Schuljahr). Eine weitere Trendwende verzeichnen wir schließlich beim Unterrichts- angebot. Die Stundentafel der Grundschule wird auf der Grundlage des Ministerratsbeschlusses vom März in der Jahrgangsstufe 4 um eine Wochenstunde im Fach Heimat- und Sachkunde ausgeweitet. Die Ausweitung der Stundentafel wird in den nächsten Jahren im Bereich des Grundlegenden Unterrichts in den Jahrgangsstufen 1 und 2 fortgesetzt.

Keine Trendwende gibt es dagegen bei den Lehrereinstellungen. Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern besetzt Bayern auch heuer wieder alle durch Pensionierung frei werdenden Stellen. Darüber hinaus wird Bayern aber in diesem und in den kommenden Jahren jährlich 500 zusätzliche Lehrer einstellen. Damit stellt Bayern in diesem Schuljahr erneut mit großem Abstand die meisten Lehrer ein, insgesamt über 3 500, davon 2 700 unbefristet. Mit über 3 500 Einstellungen liegen wir noch über den im Juli gemeldeten Einstellungszahlen, da inzwischen auch die Zahl der zum Halbjahr wieder zu besetzenden Planstellen sowie die Zahl der Aushilfsverträge bekannt ist. Besonders erfreulich ist es, dass wir in diesem Jahr in allen Schularten mehr junge Lehrer einstellen können.

Im Einzelnen: Allein im Bereich der Grund- und Hauptschule können wir heuer 1 669 Lehrer einstellen. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von 34 Prozent und bringt 427 jungen Lehrern zusätzlich eine Beschäftigungsmöglichkeit. Dazu kommen noch 257 Fachlehrer. Wegen der vergleichsweise günstigen Anstellungssituation hat sich auch die Einstellungsnote nach oben verschoben. Bei der Klassenbildung konnten wir heuer besonders die schwierige Situation von Grund- und Hauptschulen mit sehr hohem Ausländeranteil in den Ballungsräumen München und Nürnberg berücksichtigen. An diesen Schulen wird es durch zusätzliche Personalzuweisungen keine einzige Klasse mit mehr als 30 Schülern mehr geben. In den Förderschulen können wir 314 Lehrer einstellen. Die Einstellungsquote liegt bei fast 98 Prozent. Durch 100 zusätzliche Stellen haben wir hier einen Schwerpunkt geschaffen, der vor allem den Mobilen Sonderpädagogischen Diensten und damit der Integration von behinderten Kindern in den Regelschulen zugute kommt. Die Bedeutung, die wir diesem Bereich beimessen, lässt sich auch daran erkennen, dass wir für etwa 5 Prozent der Kinder in Bayern 20 Prozent der neuen Stellen zugeteilt haben.

Auch im Bereich der Realschulen hat sich die Einstellungssituation verbessert. In diesem Schuljahr können wir insgesamt 382 Lehrkräfte neu beschäftigen, davon 262 unbefristet und 120 mit Aushilfsverträgen. An den staatlichen Realschulen steigt die Schülerzahl um voraussichtlich 2,8 Prozent auf 102 200 Schüler. Wir können allerdings auch die Zahl der Klassen von 3 550 auf 3 655 erhöhen, so dass wir bei den durchschnittlichen Klassenstärken voraussichtlich auch an den Realschulen - wenn auch knapp - unter dem Vorjahreswert von 28,0 bleiben werden.

Mehr Einstellungsmöglichkeiten haben wir heuer auch wieder an den Gymnasien, insgesamt 627. Mindestens 273 Bewerber werden zu Probezeitbeamten ernannt. Voraussichtlich werden es noch mehr, weil hier die Beurlaubungen, die weitere Einstellungen ermöglichen, noch nicht eingerechnet sind. Darüber hinaus vergeben wir 123 2/3-Verträge mit der festen Zusage auf Übernahme auf einer Planstelle nach spätestens zwei Jahren. Weitere 50 erhalten einen unbefristeten Vertrag, der im folgenden Schuljahr in eine Verbeamtung umgewandelt werden kann. Die übrigen Einstellungen sind befristet. Auch an den Gymnasien können wir damit die Klassenzahl von 7 573 auf 7 708 erhöhen. Da wir in diesem Bereich allerdings einen Schülerzuwachs von 7 100 (+ 2,3 Prozent) zu verzeichnen haben, wird die durchschnittliche Klassenstärke an den Gymnasien in den Jahrgangsstufen 5 bis 11 voraussichtlich von 27,3 auf 27,6 ansteigen.

Ähnlich wie im Bereich der Grund- und Hauptschulen mit hohem Ausländeranteil machen wir auch bei den Gymnasien und Realschulen etwas, was man mit dem Stichwort Flexibilisierung beschreiben könnte: Besonders an sozialen Brennpunkten haben die Schulleiter die Möglichkeit, zur Vermeidung richtzahlüberschreitender Klassen eine zusätzliche Klasse einzurichten.

Für die beruflichen Schulen lassen sich wie in den vergangenen Jahren die Schülerzahlen im anlaufenden Schuljahr derzeit noch nicht mit hinreichender Sicherheit angeben. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass noch nicht alle Jugendlichen ihre Berufsentscheidung getroffen haben und in mehreren Schularten die Anmeldefristen bis zum Unterrichtsbeginn laufen.

Grundsätzlich will ich hervorheben, dass in Bayern im Vergleich zu den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland Angebot und Nachfrage am Ausbildungsstellenmarkt insgesamt nach wie vor ausgeglichen sind. Ausnahmen stellen - wie schon im Vorjahr - lediglich einige Regionen insbesondere in Nordbayern dar. Die Bayerische Staatsregierung führt deshalb auch im neuen Schuljahr im Rahmen des "Beschäftigungspaktes Bayern" eine Reihe von Maßnahmen durch, mit denen die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt verbessert werden soll; dazu gehört insbesondere die Einrichtung von zwölf neuen staatlichen Berufsfachschulen und einer weiteren staatlichen Zweistufigen Wirtschaftsschule.

Fazit: Die Unterrichtsversorgung wird auch im kommenden Schuljahr wieder sehr gut sein. Wir haben im Bereich der Lehrereinstellungen unsere Hausaufgaben gemacht. Trotz weiterhin steigender Schülerzahlen - zusammengerechnet haben wir etwa 22 000 junge Menschen mehr zu unterrichten als im letzten Schuljahr - können wir die Zahl der Klassen mit über 30 Schülern insgesamt verringern. Dass die Staatsregierung diesem Bereich auch in Zukunft absolute Priorität beimisst, beweist die Entscheidung des Ministerrats vom März dieses Jahres, in den nächsten fünf Jahren für rund 500 Millionen Mark insgesamt 2 500 zusätzliche 2/3-Verträge zu schaffen, die später in reguläre Planstellen umgewandelt werden. Zusammen mit dem Ersatzbedarf wird Bayern damit in den nächsten fünf Jahren weit über 10 000 junge Lehrerinnen und Lehrer einstellen. Damit nimmt der Freistaat die absolute Spitzenstellung vor allen anderen Ländern in Deutschland ein.

Eine Spitzenstellung im Ländervergleich wurde dem bayerischen Schulwesen im letzten Jahr auch von der TIMS-Studie des Max-Planck-Instituts bestätigt. Die Studie kam bekanntlich zu dem Ergebnis, dass ein bayerisches Kind in der achten Jahrgangsstufe im Vergleich zu einem Altersgenossen in Nordrhein-Westfalen in Mathematik einen Leistungsvorsprung hat, der eineinhalb Schuljahren entspricht. Der Grund dafür ist eindeutig im Umfang und in der Qualität des Unterrichtsangebotes zu sehen. Während andere Länder zugunsten kleinerer Klassen das Unterrichtsangebot zusammenstrichen und teilweise massive Unterrichtsausfälle in Kauf nahmen, haben wir an einem möglichst umfangreichen Unterrichtsangebot festgehalten und dafür die Klassenhöchstgrenzen über denen anderer Länder festgelegt. Das war unpopulär, bei den Lehrern ebenso wie bei den Eltern. Aber alle vorliegenden Untersuchungen haben uns Recht gegeben. Natürlich verschließen wir nicht die Augen davor, dass auch wir international durchaus verbesserungsfähig sind. Die als Reaktion auf die TIMS-Studie eingesetzte Projektgruppe hat ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das im Rahmen einer konzertierten Aktion in diesem Schuljahr umgesetzt werden soll und schon im Oktober alle Schulen im Rahmen der Lehrerfortbildung erreichen wird. Künftig soll der Sicherung von Grundwissen und der Übung im Lösen nicht schematisierter Problemstellungen deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Auf eine Stärkung der Mathematik zielen auch neue Stundentafeln und Lehrpläne ab, die ab September in Modellversuchen erprobt werden. Zu Beginn der Jahrgangsstufe 7 (Hauptschule und Schulversuch sechsstufige Realschule) bzw. 9 (vierstufige Realschule und Gymnasium) wird eine jährliche externe Evaluation Aufschluss über den mathematischen Kenntnisstand der Schüler geben und damit eine Orientierungshilfe für die weitere Arbeit des einzelnen Schülers, des betroffenen Lehrers oder auch einer ganzen Fachschaft geben.

Der im Schuljahr 1998/99 erstmals in Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg durchgeführte Landeswettbewerb Mathematik für die Jahrgangsstufen 5 mit 10 an Gymnasien und Realschulen schafft eine zusätzliche Möglichkeit, Schüler für Mathematik zu interessieren und Begabungen zu fördern. Und schließlich beteiligen sich bayerische Schulen auch am Programm "Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts" der Bund-Länder-Kommission. Das bayerische Staatsinstitut für Schul- pädagogik und Bildungsforschung wird in engem Kontakt mit der Universität Bayreuth die pädagogische und wissenschaftliche Betreuung des Versuchs für das Fach Mathematik nicht nur in Bayern, sondern koordinierend für die gesamte Bundesrepublik Deutschland übernehmen.

Ich referiere das Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Mathematikunterrichts hier deshalb relativ ausführlich, weil ich deutlich machen will: Das bayerische Schulwesen muss seine bewährte Leistungsorientierung behalten. Diesem Ziel dient auch die beabsichtigte Reform der Oberstufe des Gymnasiums, die wir im kommenden Schuljahr energisch weiterverfolgen werden. Die Eck- punkte sind bekannt: Beibehaltung des Kurssystems, Abschaffung der Differenzierung in Grund- und Leistungskurse und Abiturprüfung in fünf Fächern, darunter Deutsch, Mathematik und fortgeführte Fremdsprache. Wahlmöglichkeiten zwischen Fächern wird es auch weiterhin geben. Die Einführung eines Seminarfachs soll - wie bisher im Leistungskurs - wissenschaftspropädeutisches Arbeiten zusätzlich fördern.

Zu dieser Leistungsorientierung gehört beispielsweise auch, dass wir besonders begabte Schüler verstärkt fördern werden. Das beginnt in der Grundschule, wo wir Hochbegabungen besser erkennen müssen, und setzt sich fort am Gymnasium, wo wir heuer nach zwei vergeblichen Anläufen erstmals eine Förderklasse für hoch begabte Schüler am Maria-Theresia-Gymnasium in München einrichten können. In dieser Förderklasse wollen wir erproben, wie besondere Unterrichts- und Betreuungsangebote, die über den regulären Unterricht und die geltenden Lehrpläne hinausgehen, Spitzenbegabungen in ihrer Entwicklung fördern können.

So sehr wir auf der Beibehaltung des Leistungsprinzips bestehen: unser Schulwesen darf sich nicht auf diesen Aspekt beschränken, und tut dies - entgegen manchen Vorwürfen - auch nicht. In Kürze wird eine Studie des Instituts für Sonderpädagogik der Universität Koblenz-Landau erscheinen, die einige aufschlussreiche Ergebnisse zu diesem Thema enthält. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung hat Professor Seitz im Schuljahr 1994/95 4 700 Kinder befragt, darunter 845 Kinder aus Bayern. Professor Seitz hat uns vorab in einem Schreiben über die wichtigsten Ergebnisse informiert. Danach - ich zitiere - "unterscheiden sich Kinder aus Bayern vom Durchschnitt der Kinder aus den übrigen Bundesländern durch eine höhere "innere Angstfreiheit zusammen mit sozialer Zuwendung". Das bedeutet für Kinder aus Bayern beispielsweise:

- Sie haben weniger Angst vor Dunkelheit und weniger nächtliche Angsterlebnisse, weniger Angst vor dem Alleinsein, vor Neuem und Ungewissem,

- es fällt ihnen leichter, Geduld aufzubringen und Vorteile anderer zu ertragen,

- sie zeigen bei der Lösung von Aufgaben eher Ausdauer, geben weniger schnell auf und lassen sich seltener von anderen helfen,

- es fällt ihnen leichter, auf andere Leute zuzugehen, z.B. diese um einen Gefallen zu bitten, etwas zu fragen,

- sie fühlen sich in Gegenwart anderer weniger gehemmt und befangen,

- sie arbeiten und spielen lieber in Gemeinschaft als alleine."

 

Daneben haben bayerische Kinder der Studie zufolge "eine höhere Sicherheit in ihrer Meinungs- und Entscheidungsbildung", und "sie sind zielstrebiger in der Planung ihrer Vorhaben und eher überzeugt vom Erreichen der gesetzten Ziele". Zitatende.

Ich möchte zunächst festhalten, dass ich in diesen Ergebnissen auch ein großes Kompliment an die Sozialisationsarbeit in den Elternhäusern sehe. Festhalten möchte ich aber auch, dass sie ganz und gar nicht zum Bild der "Paukschule" passen, das manche Leute gerne von unseren Schulen zeichnen.

Auch im sozialen Bereich wollen wir eine Reihe von Verbesserungen auf den Weg bringen. Von zentraler Bedeutung sind dabei die kind- und familiengerechte Halbtagsschule und der Ausbau der Mittagsbetreuung. Nach dem Ministerratsbeschluss vom März sind wir derzeit dabei, ein Konzept für die personelle und pädagogische Gestaltung einer Betreuung zu erarbeiten, die sicherstellt, dass ab dem Schuljahr 1999/2000 die Grundschulen je nach Bedarf eine verlässliche Betreuungszeit von 7.30 Uhr bis 13 Uhr anbieten. Schon in diesem Schuljahr wirksam wird eine neuerliche Ausweitung der Mittagsbetreuung um 100 Gruppen. Damit haben wir zu Beginn dieses Schuljahres bereits etwa 800 geförderte Gruppen, in denen rund 14 000 Schulkinder betreut werden.

Hierher gehört auch der gemeinsame Unterricht für behinderte und nicht behinderte Schüler. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass wir durch zusätzliche Lehrerstellen die Förderung von behinderten Kindern in Regelschulen mit Unterstützung von Mobilen Sonderpädagogischen Diensten erweitern. Was vielfach übersehen wird: Mittlerweile werden in Bayern rund 10 000 behinderte Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf in den Grund- und Hauptschulen integrativ unterrichtet. Damit unterrichten wir in Bayern mehr als doppelt so viele behinderte Kinder integrativ wie Nordrhein-Westfalen (4 200). Parallel dazu bauen wir die Kooperation von Grund- und Förderschulen weiter aus. Rund 90 Prozent aller Schulen zur individuellen Lebensbewältigung kooperieren bereits mit Grund- und Hauptschulen im Bereich des Schullebens, rund 60 Prozent auch im Unterrichtsbereich. Davon betroffen sind etwa 10 000 behinderte und nicht behinderte Kinder und rund 1 000 Lehrer, die gemeinsamen Unterricht bzw. gemeinsame schulische Aktionen durchführen. Eine besondere Form der Kooperation ist die so genannte Außenklasse als ausgelagerte Klasse einer Förderschule in der Grundschule oder umgekehrt. In den knapp 300 Außenklassen, die wir derzeit haben, ermöglicht die direkte räumliche Nähe eine tägliche intensive Zusammenarbeit. Wenn ich diese Entwicklung vergleiche mit der Situation, als ich vor 12 Jahren das Ressort übernahm, so glaube ich schon, dass wir hier sehr bemerkenswerte Fortschritte gemacht haben.

Neben dem Streit um die quantitative Weiterentwicklung unseres Schulwesens war im letzten Jahr die Schulreform, also die qualitative Entwicklung, in der öffentlichen Diskussion durchaus das, was man heutzutage als "Megathema" bezeichnet. Ich möchte nicht verhehlen, dass mir diese Debatte gelegentlich allzu sehr an Strukturfragen orientiert ist: 12 oder 13 Jahre bis zum Abitur? Vier- oder sechsstufige Realschule? Vier oder fünf Prüfungsfächer im Abitur? 28 oder 31 Schüler in einer Klasse? Ich fürchte, solche holzschnittartigen Alternativen, die in Wahlkampfzeiten noch beliebter sind als sonst, werden den Problemen an den Schulen nicht gerecht. Kein Kind wird deshalb lieber in die Schule gehen und besser lernen, kein Lehrer engagierter unterrichten. Qualitative Verbesserungen finden anderswo statt. Zum Beispiel im Bereich der Kommunikation. Der so genannte "Dienstweg" ist allzu oft eine Einbahnstraße von "oben nach unten"; von "unten nach oben" findet für meinen Geschmack zu wenig Kommunikation statt. Weder die Interessenverbände noch ein Forum wie der Landesschulbeirat können dies ersatzweise leisten. Dies wiederum wäre eine Voraussetzung, die Motivation von Schülern und vor allem Lehrern zu verbessern. Ein Schritt in diese Richtung ist das "Mitarbeitergespräch", das im Laufe dieses Schuljahres an den staatlichen Schulen eingeführt wird. Mit dem Mitarbeitergespräch wollen wir den Dialog zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern und die Einbindung der Mitarbeiter in den Informationsfluss verbessern.

Neben der schulinternen Lehrerfortbildung wollen wir auch die Qualifikation unserer Schulleiter erhöhen. Hierzu bieten wir bereits vor der Übernahme einer Leitungsfunktion schulart- übergreifende Kurse zur Orientierung und Qualifikation an. Sie sollen die Auseinandersetzung mit der künftigen Rolle und den Anforderungen des Amtes fördern, die personelle Eignung in Erfahrung bringen und für die wesentlichen Aufgabenbereiche qualifizieren. Die bisherigen schulartspezifischen Ausbildungskurse nach der Ernennung werden wir mindestens im bisherigen Umfang beibehalten, im Grund-, Haupt- und Förderschulbereich um eine Woche erweitern. Die Akademie für Lehrerfortbildung wird auch ihr Angebot zur Fortbildung von bereits länger im Dienst stehenden Schulleitern ausbauen.

Neben der Verbesserung des Kommunikationsflusses wird die Übertragung von mehr Verantwortung an die einzelne Schule ein weiterer wichtiger Punkt unserer Reform sein, mit der wir die Motivation der Lehrer verbessern wollen. So greift im neuen Schuljahr erstmals die Budgetierung in der Kursphase der gymnasialen Oberstufe und im Wahlbereich. Dabei wird jeder Schule je nach Schülerzahl ein Budget von Lehrerstunden zugeteilt, in dessen Rahmen Grund- und Leistungskurse ohne die bisherigen Detailregelungen über Höchstzahl und Mindestteilnehmerzahl gebildet werden können. Ein solches Budget gibt es auch für den Wahlunterricht in den Jahrgangsstufen 5 bis 11, mit dem die Schule ihr Wahlunterrichtsprogramm eigenständig gestalten kann.

Auch bei den beruflichen Schulen wird die organisatorische Selbstverwaltung weiter gestärkt. Im Rahmen der Verwaltungsreform und der Aufgabenverlagerung nach unten wurde die Entscheidungskompetenz der Schulleiter der beruflichen Schulen kontinuierlich ausgeweitet durch: Budgetierung des Personalbedarfs, Auswahl der einzustellenden Verwaltungsangestellten, Teilabordnung von Lehr- kräften, Erteilung von Dienstreisegenehmigungen für Lehrkräfte, Nebentätigkeitsgenehmigungen in bestimmten Fällen und die eigen- verantwortliche Entscheidung über die Bildung von Gruppen und die Einrichtung von Wahlfachangeboten. Im neuen Schuljahr kommen weitere Aufgaben hinzu wie die eigenverantwortliche Auswahl des nebenamtlichen bzw. nebenberuflichen Personals, die Beteiligung an den Gesprächen für die Auswahl des stellvertretenden Schulleiters und die selbständige Bewirtschaftung der Sachaufwandsmittel in Abstimmung mit dem Sachaufwandsträger.

Wir sind also bereits dabei, die Freiräume für die Schulen zu vergrößern. Derzeit prüfen wir Möglichkeiten der Flexibilisierung der Stundentafeln im Zusammenhang mit einer Erhöhung des pädagogischen Freiraums (etwa Verfügungsstunden, Epochalunterricht), frei verfügbare zusätzliche Stundenkontingente für besondere pädagogische Herausforderungen und eine Flexibilisierung von Stundendeputaten, etwa durch Arbeitszeitkonten.

Die Fortführung und Umsetzung der Schulreform wird die zentrale Aufgabe der Bildungspolitik in der nächsten Legislaturperiode sein - so wie die Reform der Hochschulen in den letzten vier Jah- ren im Mittelpunkt stand. Einen Vorgeschmack darauf geben die Neuerungen, die im kommenden Schuljahr eingeführt werden. Allen am Schulgeschehen Beteiligten - Schülern, Lehrern und Eltern - wünsche ich für dieses Schuljahr Freude und Erfolg.

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Toni Schmid, Pressereferent