3. September 1998

Schwester Maria Theresia Gerhardinger in der Walhalla geehrt
Kultusminister Zehetmair: "Vorkämpferin für Frauenrechte und Menschenwürde"

Als "Vorkämpferin für Frauenrechte und Menschenwürde" hat Kultusminister Hans Zehetmair Schwester Maria Theresia von Jesu Gerhardinger gewürdigt, deren Portraitbüste am Donnerstag in der Walhalla aufgestellt wurde. Wie der Minister in seiner Festansprache erklärte, habe sie entscheidend zur Verbesserung der Lebens- und Bildungssituation von Frauen und Mädchen beigetragen und damit verdient, als erste Frau nach dem Tod des Stifters in die Walhalla einzuziehen. Er freue sich, dass es Dank der Unterstützung durch Kardinal Friedrich Wetter und des Engagements von Professor Wilhelm Uhlig bei der Fertigung gelungen sei, bereits ein halbes Jahr nach der Entscheidung des Kabinetts die neue Büste aufzustellen.

Schon mit 12 Jahren habe die am 20. Juni 1797 in Stadtamhof bei Regensburg geborene Maria Theresia Gerhardinger die Aufgabe einer Lehrerin übernommen, bevor sie als 15-Jährige durch königliches Dekret an der Schule angestellt worden sei. Mädchenbildung wurde zu ihrer Lebensaufgabe und in ihrem 1833 gegründeten Kloster in Neunburg vorm Wald widmete sie sich von Anfang an der Ausbildung und der Verbesserung der Situation der Frauen und Mädchen vor Ort. Anfänglichen Widerständen begegnete sie durch Verzicht auf Schulgeld und Gehalt. Schon nach kurzer Zeit hatte die Kongregation die Grenzen Bayerns überschritten und die Schwestern gründeten Niederlassungen in den USA, Österreich, Ungarn, Rumänien und England. Als Schwester Gerhardinger am 9. Mai 1879 in München starb, gab es allein in Europa mehr als 200 Ordenshäuser; mehr als 3 000 Schwestern wirkten in Europa und Amerika und unterrichteten und betreuten an die 80 000 Kinder und Jugendliche in Waisenhäusern, Kindergärten und Schulen. In zahlreichen Bereichen hat Schwester Gerhardinger die Mädchenbildung entscheidend geprägt: So war die Münchner Angerschule die erste Schule, die Turnunterricht für Mädchen einführte. In den Höheren Töchterschulen des Ordens wurden nicht nur Handarbeiten, Zeichnen, Singen und Turnen unterrichtet, sondern auch Deutsche Sprache, Literatur, Rechnen, Raumlehre, die Realfächer und Religion. Die staatlichen Schulen übernahmen die zunächst vom Orden herausgegebenen Schulbücher. Auch die Lehrerbildung wurde von Schwester Maria Theresia Gerhardinger erheblich verbessert. Dank des erstmals von ihrem Orden angebotenen fünfjährigen Studiengangs für Lehrerinnen stieg die Zahl der weiblichen Lehrkräfte in Bayern auf 890.

Als Erfinderin der sogenannten "Kinderbewahranstalten", unseres heutigen Kindergartens, hat Schwester Gerhardinger bereits in einem 1850 herausgegebenen "Leitfaden für Kinderbewahranstalten" ein Konzept einer Frühpädagogik entwickelt, dessen Grundlagen heute zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Der von ihrem Orden eingerichtete eigene Ausbildungsgang für Kindergartenschwestern blieb jahrzehntelang der einzige in Bayern.

Durch diese Impulse habe Schwester Maria Theresia Gerhardinger gerade auch die Entwicklung und die Rolle der Mädchen und Frauen in der Gesellschaft geprägt, indem sie ihnen erstmals in breiten Schichten Zugang zu einer fundierten Bildung eröffnete, so Zehetmair. Ihr Bestreben, die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der heranwachsenden Menschen zu entfalten und sie zu befähigen, ihren beruflichen und familiären Alltag zu bestehen, sich in ihre Kultur- und Gesellschaftsordnung einzubringen und sich als Christen und Staatsbürgerinnen zu bewähren, habe nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

 

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Toni Schmid, Pressereferent