Pressemitteilung

Nr. 245 – 12. November 1999

Kultusministerin Hohlmeier bei der Hauptversammlung des Philologenverbands: Volksbegehren ist Angriff auf Qualität unserer Schulen/

Weiterentwicklung des Gymnasiums mit Reform der Oberstufe und Überarbeitung der Lehrpläne

Scharfe Kritik übte Kultusministerin Monika Hohlmeier an dem vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband geplanten Volksbegehren gegen die von der Staatsregierung auf den Weg gebrachte Reform der Realschule. „Hinter diesem Volksbegehren verbirgt sich ein Angriff auf die Qualität unserer Schulen und die Chancengerechtigkeit für jeden einzelnen", erklärte die Ministerin auf der Hauptversammlung des Bayerischen Philologenverbands am 12. November 1999 in Bad Wörishofen. Die Auswirkungen auf das Bildungsangebot des gegliederten Schulwesens wären fatal. „In einer Aufbaustufe würde die begabungsgerechte Förderung sowohl der leistungsstarken als auch der schwächeren Schüler unnötig verzögert", monierte die Ministerin. Bei einer längeren gemeinsamen Unterrichtung sowohl von späteren Gymnasiasten als auch Realschülern und Hauptschülern bis zur sechsten Jahrgangsstufe würde ein Teil der Kinder zwangsläufig unterfordert, ein anderer Teil überfordert und so keiner Schülerin und keinem Schüler eine optimale Förderung angeboten. „Die Aufbaustufe sollte zur Retardierungsstufe umgetauft werden", so die Ministerin.

Die Absicht des BLLV, die Lehrpläne in den 5. und 6. Jahrgangsstufen aller Schularten anzugleichen, sei eine unvertretbare Nivellierung. Als Panikmache bezeichnete Hohlmeier die Behauptung der Initiatoren des Volksbegehrens, die dreifache Wahlmöglichkeit für Kinder und Eltern nach der 4. Jahrgangsstufe bedeute Frühauslese. Zum einem biete das gegliederte Schulsystem Übertrittsmöglichkeiten für jedes Kind und jeden Jugendlichen nach jeder Jahrgangsstufe die Möglichkeit, einen weiteren schulischen Abschluss anzustreben. Zum anderen werde der BLLV unglaubwürdig, wenn er einerseits behaupte, dass Eltern und Lehrkräfte die Eignung der Kinder am Ende der 4. Jahrgangsstufe nicht erkennen könnten, umgekehrt aber in seinem eigenen Vorschlag vorsehe, zu Beginn der 5. Jahrgangsstufe Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialkurse zu bilden und die Schüler ihrer Befähigung entsprechend zuzuteilen.

Für die Weiterentwicklung des Gymnasiums kündigte die Ministerin ein Maßnahmebündel an. Ziel sei es, mit einem modernen Bildungsangebot der wachsenden Bedeutung von Schlüsselqualifikationen die Eigeninitiative, Motivation, Selbständigkeit und Teamfähigkeit Rechnung zu tragen, durch den Ausbau eines fundierten Grundwissens den Jugendlichen angesichts des schnellen Veraltens von Spezialwissen ein Gerüst an gesicherten Kenntnissen und methodischen Fertigkeiten mitzugeben sowie die zunehmende Bedeutung von Technik- und Fremdsprachenkompetenz zu berücksichtigen. Mittelfristig sei eine Vielzahl von Entscheidungen erforderlich, um die Jugendlichen auf die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft vorzubereiten. Eine Reihe von bereits angelaufenen Schulversuchen und Modellprojekten, wie das Europäische Gymnasium oder der Modellversuch des achtjährigen Gymnasiums sollen hier wertvolle Erkenntnisse liefern. Dies betreffe unter anderem die Frage nach der Einführung eines eigenständigen Faches Informatik am Gymnasium. Außerdem müsse als Schlussfolgerung aus den Ergebnissen der TIMS-Studie der Unterricht in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern weiter verbessert werden.

Die Ministerin kündigte an, in konkrete Gespräche mit den Verbänden über die Neuorganisation der Oberstufe am Gymnasium zu treten. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz habe grünes Licht gegeben für die Stärkung von Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache und die Erweiterung der Möglichkeit einer individuellen Schwerpunktbildung im Abitur durch die Einführung eines fünften Abiturfaches. Die Ministerin werde hierzu in den nächsten Wochen intensive Gespräche mit Vertretern von Eltern, Lehrkräften und Schülern führen. Ziel sei es, einen breiten Konsens zwischen den Beteiligten zu erzielen.

Überarbeitet werden sollen auch die Lehrpläne für das Gymnasium. Das Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung habe den Auftrag erhalten, neue Lehrpläne zu entwickeln. Hauptziel sei es, die Nachhaltigkeit des Grundwissens zu intensivieren und eine neue Schwerpunktsetzung zugunsten des aufbauenden Grundwissens zu ermöglichen. Außerdem gelte es, neue Unterrichtsformen und –methoden sowie einen verbesserten Aufbau des Unterrichts zu fördern. In den Fachlehrplänen solle die Fülle von Details deutlich reduziert und die Gestaltungsfreiheit der Lehrkräfte gestärkt werden. Um die Eigeninitiative zu fördern und den Schulen mehr Gestaltungsspielraum zu eröffnen, sollen die detaillierten Vorgaben der Fachlehrpläne wegfallen und statt dessen verbindliche Rahmenlehrpläne erstellt werden. Die Fachschaften sollen unterstützt werden, gemeinsame Programme zur inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung des Lehrplans zu entwickeln.

 

Dorothee Erpenstein
Pressesprecherin im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus