Pressemitteilung

Nr. 173 – 28. Juli 1999

 

Erster Meinungsaustausch zwischen Kultusministerin Monika Hohlmeier und hessischer Kultusministerin Karin Wolff: Klares Votum für differenziertes, begabungsgerechtes Schulsystem/ Stärkung der Hauptschule/ Reform der Oberstufe zur Verbesserung der Studierfähigkeit und Allgemeinbildung/Kritik an Bundesregierung, originäre Arbeitslosenhilfe zu streichen

 

In einem ersten Meinungsaustausch nach dem Regierungswechsel in Hessen haben Kultusministerin Monika Hohlmeier und ihre Amtskollegin Karin Wolff die begabungsgerechte Förderung der Kinder in einem differenziertes Schulsystem als Kernanliegen zukunftsorientierter Bildungspolitik bezeichnet. Themen des Gesprächs waren vor allem die Stärkung der Hauptschule, die kind- und familiengerechte Halbtagsgrundschule, die Reform der Oberstufe des Gymnasiums sowie die Pläne der Bundesregierung, die originäre Arbeitslosenhilfe zu streichen.

„Ein differenziertes, auf die individuellen Fähigkeiten ausgerichtetes Angebot bietet die beste Gewähr dafür, Schülerinnen und Schülern eine umfassende Bildung zu vermitteln und auf eine sich rasch wandelnde Berufswelt vorzubereiten", erklärte die hessische Ministerin. Kultusministerin Hohlmeier betonte, nur wenn die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Lernzugänge der jungen Menschen akzeptiert würden, könne für jedes einzelne Kind die bestmögliche schulische Bildung erreicht werden. „Deshalb ist es wichtig, so früh, wie es der Entwicklungsstand unserer Kinder erlaubt, mit einer begabungsorientierten Förderung zu beginnen", unterstrich Hohlmeier. Sie begrüßte die Pläne ihrer hessischen Kollegin, nach bayerischem Vorbild landesweite Abschlussprüfungen an den Hauptschulen einzuführen. Dies sei ein Beitrag zu einer Sicherung der Qualitätsstandards an den Hauptschulen, die zugleich einen Motivationsschub bewirken würde, erläuterte Frau Wolff. Die Schulstrukturen in Bayern und Hessen seien historisch anders gewachsen, in der Zukunft werde Hessen die Vielfalt des Schulsystems wieder stärker betonen. Ein erster Schritt sei die im neuen Schulgesetz enthaltene Option, die Förderstufe an kooperativen Gesamtschulen sowie an verbundenen Haupt- und Realschulen durch eine schulformbezogene Organisation der Jahrgangsstufen 5 und 6 ersetzen. Beide Ministerinnen bekräftigten das Erfordernis einer breiten Angebotspalette der Unterrichtsformen, um dem Begabungsspektrum der jungen Menschen von den Lernschwächeren bis hin zu den Hochbegabten gerecht zu werden. Hessen prüfe derzeit, wie für die eher praktisch veranlagten Jugendlichen in den Hauptschulen eine engere Verzahnung des Unterrichts mit der beruflichen Praxis erfolgen könne, um die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt zu verbessern. In Bayern werden hierzu ab dem kommenden Schuljahr Praxisklassen an den Hauptschulen eingerichtet und die Berufsorientierung in allen Fächern gestärkt.

In der Diskussion über die Reform der Oberstufe sprachen sich beide Ministerinnen dafür aus, über die bisherigen Rahmenvereinbarungen der Kultusministerkonferenz hinaus die Stärkung der Qualität des Abiturs und der gymnasialen Ausbildung in den Mittelpunkt der weiteren Beratungen zu stellen. „Ziel der Oberstufenreform ist die Stärkung der Studierfähigkeit unserer Abiturienten und eine bessere Vorbereitung auf den internationalen Wettbewerb und der späteren Berufswelt", erklärte die Ministerin. Damit würden auch wesentliche Forderungen der Wirtschaft und der Hochschulen aufgegriffen. Neben einer soliden Allgemeinbildung komme es nach den Worten Wolffs vor allem auf die Erziehung zum selbständigen Lernen, Sprachenkompetenz und Verständnis für naturwissenschaftliche Zusammenhänge an: „Gerade in Zeiten einer fortschreitenden Spezialisierung der einzelnen Berufsgruppen ist ein solides Bildungsfundament wichtiger denn je." Eine verfrühte Spezialisierung sei kontraproduktiv, erklärten die Ministerinnen. Das Übergewicht der Leistungskurse gegenüber den Grundkursen sei bisweilen zu stark geworden. Die Bedeutung der Fächer Deutsch, Mathematik sowie einer Fremdsprache solle gestärkt werden. Erhalten bleiben sollen aber auch Wahlmöglichkeiten entsprechend den spezifischen Begabungen der Schülerinnen und Schüler. Beide Ministerinnen sprachen sich dafür aus, die Abiturprüfung künftig in fünf Fächern abzuhalten. Neben den drei Fächern Deutsch, Mathematik sowie einer Fremdsprache müsse eine ausreichende Wahlmöglichkeit erhalten bleiben.

Einen intensiven Erfahrungsaustausch vereinbarten die Ministerinnen bei der Einführung der kind- und familiengerechten Halbtagsgrundschule. Hessen strebe an, den Unterrichtsumfang in der Grundschule nach bayerischem Vorbild zu erweitern, kündigte Wolff an. Darüber hinaus plane auch Hessen eine flächendeckende, bedarfsgerechte Betreuung der Kinder bis mindestens 13 Uhr ermögliche. In Zeiten knapper Kassen sei es wichtig, dass Schule, Eltern, Kommunen und freie Träger mit Unterstützung des Staates gemeinsam Lösungen für die Organisation der Betreuung vor Ort fänden.

Kritik übten Hohlmeier und Wolff an den Plänen der Bundesregierung, die originäre Arbeitslosenhilfe zu streichen. Für Referendare, die nach dem Abschluss ihres Vorbereitungsdienstes nicht unmittelbar in den Schuldienst übernommen werden können, bedeutete die Streichung künftig den Weg zum Sozialamt. „Für die jungen Lehrkräfte, die oftmals nach kurzen Wartezeiten eine Anstellung im Schulbereich erlangen könnten, ist dies eine einschneidende psychische Belastung", betonte die bayerische Kultusministerin. Die Maßnahme sei zugleich ein Lastenverschiebungsprogramm zum Nachteil der Kommunen, die für die dann greifende Sozialhilfe aufkommen müssten. Hohlmeier erinnerte an die hohen Einstellungszahlen im bayerischen Schuldienst. Im kommenden Schuljahr 1999/2000 würden über 3.800 Junglehrer in den Staatsdienst übernommen.

 

Dorothee Erpenstein
Pressesprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus

Ute Primavesi
Pressesprecherin des Hessischen Kultusministeriums