Pressemitteilung

Nr. 37 - 10.2.1999

Regierungserklärung von Kultusministerin Hohlmeier im Bayerischen Landtag:

Neues Hauptschulkonzept und sechsstufige Realschule ab Schuljahr 1999/2000 /Stärkung „weicher" Bildungsfaktoren durch Innere Schulreform /

„Hotline" für Eltern und Lehrer zur Schulreform im Kultusministerium

Die Berufsorientierung bayerischer Hauptschulen soll ab dem Schuljahr 1999/2000 deutlich gestärkt werden. Außerdem erfolgt schrittweise der landesweite Ausbau der vierstufigen zur sechsstufigen Realschule. In einer Regierungerklärung vor dem Bayerischen Landtag stellte Kultusministerin Monika Hohlmeier am Donnerstag (10.2.1999) ein umfassendes Reformpaket zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung der Schulen in Bayern vor. Neben strukturellen Änderungen kündigte die Ministerin ein Maßnahmebündel zur Stärkung der Inneren Schulreform an. „Für die Effizienz schulischer Bildung und die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen kommt es nicht nur auf äußere Rahmenbedingungen an. Wir müssen auch die sogenannten weichen Bildungsfaktoren stärker in den Mittelpunkt rücken. Dazu gehören verbesserte Unterrichtsqualität, Motivation der Lehrkräfte, mehr Einbindung der Eltern und größere Selbstverantwortung der Schüler", betonte Frau Hohlmeier. In diesen Bereichen werde es in den nächsten Jahren gezielte Lehrerfortbildungen, Lehrplanüberprüfungen und Projekte geben. Außerdem sollen Schüler künftig in die Evaluierung des Unterrichts einbezogen werden.

Die Ministerin bezeichnete das gegliederte Schulsystem in Bayern als tragende Grundlage für eine bestmögliche begabungsgerechte Förderung der Kinder und Jugendlichen. Mit dem jetzt auf den Weg gebrachten Reformpaket stelle die Staatsregierung die Weichen für eine noch stärkere Profilbildung der Schularten. Dies gelte insbesondere für die Hauptschulen. Die Schülerinnen und Schüler, deren Fähigkeiten im Konkret-Anschaulichen lägen, sollen künftig noch besser auf den Einstieg in das Berufsleben vorbereitet werden. Hohlmeier: „Hauptschulabsolventen sind die künftigen Facharbeiter der Industrie, die Gesellen und Meister im Handwerk und die Beschäftigten im weiten Feld der Dienstleistung. Für sie wollen wir die Bildung an der Hauptschule praxisorientierter gestalten." Das Konzept zu Stärkung der Hauptschulen enthält folgende Eckpunkte:

Die Möglichkeiten zur Erlangung des mittleren Schulabschlusses werden verbessert.
Die Förderung der Schülerinnen und Schüler, die einen mittleren Schulabschluss anstreben, sollen bereits ab der Jahrgangstufe 7 beginnen.

Je nach örtlichen Gegebenheiten werden so genannte M-Kurse, M-Klassen oder M-Züge eingerichtet. Ein- und zweizügige Hauptschulen können als Zusatzangebot zum sonstigen Unterricht in den Jahrgangstufen 7 und 8 M-Kurse einrichten. Andere Hauptschulen können sich zu einem Verbund zusammenschließen und gemeinsame M-Klassen bilden. An großen Hauptschulen ist ein eigener Zweig, ein M-Zug möglich.

Der mittlere Schulabschluss an der Hauptschule wird auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichtet. Er ist anderen mittleren Schulabschlüssen gleichwertig, aber nicht gleichartig.

Für Hauptschüler mit großen Lernproblemen werden sogenannte Praxisklassen eingerichtet. Dort werden für Schülerinnen und Schüler, die vor der Schulentlassung stehen und kaum Aussichten haben, einen Hauptschulabschluss zu erreichen, neue Perspektiven für den Einstieg in das Arbeitsleben eröffnet.

Die Praxisklasse hat zwei Schwerpunkte:

Die Grundkenntnisse in Deutsch, Mathematik und Arbeitslehre als Basiswissen für eine Vielzahl von Berufen werden ausgebaut.

Außerdem erhalten die Schüler mehr praktischen Unterricht in Betrieben am Ort oder in Werkstätten außerschulischer Partner oder Berufsschulen. Durch dieses Modell wird das Verantwortungsbewusstsein der Schüler gestärkt. Gleichzeitig verbessern sich ihre Chancen auf eine Lehrstelle nach dem Ende der Schulzeit – gegebenenfalls auch ohne Abschluss.

Auch außerhalb der Praxisklassen soll der praktische und berufsorientierte Anteil der Hauptschulbildung erhöht werden.

Die Kultusministerin kündigte ferner die flächendeckende Einführung der sechsstufigen Realschule (R 6) in Bayern an. Ziel sei es, Kindern, die einen mittleren Bildungsabschluss mit höherem theoretischen Anteil an einer Realschule anstreben, bereits einen geschlossenen Bildungsgang ab der 5. Jahrgangstufe zu ermöglichen. „Auch damit setzen wir ein neues Signal für eine frühzeitige begabungsgerechte Förderung. In sechs Jahren an der Realschule können die Lehrpläne besser aufgebaut und deutlichere Schwerpunkte in Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen gelegt werden. Außerdem bekommen Erziehung und Unterricht mehr Kontinuität, davon profitieren alle Schüler", unterstrich Frau Hohlmeier. Ausschlaggebend für die Einführung der R 6 sei auch die bei der vierstufigen Realschule (R 4) oft eintretende Belastung der Schülerinnen und Schüler durch den doppelten Schulwechsel von der Grundschule über die Hauptschule an die Realschule oder von der Grundschule über das Gymnasium an die Realschule gewesen. Auch Kinder, die bisher mit der Absicht auf das Gymnasium übergetreten sind, nach der 6. Jahrgangsstufe an die Realschule zu wechseln, hätten oftmals wegen schlechter Noten das Gefühl, versagt zu haben.

Die Ministerin verwies außerdem auf die positiven Ergebnissen des 1992 begonnenen Schulversuchs „Sechsstufige Realschule". Danach erbringen Schüler der sechstufigen Realschule durchweg bessere Ergebnisse als in der R 4 und müssten seltener Klassen wiederholen. Während die Durchfaller-Quote der 8. Jahrgangsstufe der R 4 bei 10 –13 % liege, betrage sie in der R 6 nur 1 – 3 %. Auch die Zahl der Schulwechsler vom Gymnasium an die Realschule sei in der R 6 niedriger. „Misserfolge prägen die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen nachteilig, deshalb werden wir die vierstufige Realschule auslaufen lassen", erklärte die Ministerin. Die Einführung der sechsstufigen Realschule erfolgt nach folgendem Konzept:

Für den Übertritt von der 4. Grundschulklasse auf die Realschule sollen künftig folgende Kriterien gelten: Uneingeschränkter Übertritt ist möglich bei einem Notendurchschnitt von 2,33 aus Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachkunde. Kinder mit einem Notendurchschnitt bis 2,66 können am Probeunterricht teilnehmen. Im Anschluss daran erfolgt ein Beratungsgespräch mit den Eltern, die dann letztendlich die Entscheidung über den Übertritt in eigener Verantwortung für ihr Kind treffen. Bei einem schlechteren Notendurchschnitt als 2,66 ist ein Übertritt nur nach bestandenem Probeunterricht möglich.

Übertrittsmöglichkeiten für sogenannte Spätentwickler sind gewährleistet.

Die Einführung der R 6 erfolgt in einem Zeitraum von acht Jahren. In den ersten drei Jahren werden 20 – 30 Realschulen umstrukturiert, die übrigen Realschulen folgen in fünf gleichmäßigen Tranchen bis zu Jahr 2006. Der konkrete Zeitpunkt der Umstellung wird im Einvernehmen mit den Landkreisen, den Kommunen und den freien Trägern festgelegt werden.

Hotline des Kultusministeriums für Eltern und Lehrer:

Zur Beratung für Eltern, für deren Kind ein Schulwechsel bevorsteht, und für Lehrer der beteiligten Schularten hat das Kultusministerium eine Telefon-Hotline eingerichtet. Ab Montag, 15.2.1999, bis Freitag, 20.2.1999, stehen von 8.30 Uhr bis 16.30 Uhr (Dienstag nur bis 12 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr) folgende Telefonnummern zur Verfügung:

Für den Realschulbereich : 089/ 2186 – 2542 oder – 2543 oder – 2492

Für den Hauptschulbereich: 089/ 2186 – 2470 oder – 2559

Die Regierungserklärung der Ministerin ist im Internet unter http://www.stmukwk.bayern.de/schule/regerkl.html abrufbar.

 

Dorothee Erpenstein
Pressesprecherin im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus