7. August 1997

 

Kultusminister Zehetmair fordert mehr Sachlichkeit bei der Debatte um die Rechtschreibreform: Der Untergang des Abendlandes findet nicht statt

Mehr Sachlichkeit bei der Debatte um die Rechtschreibreform hat Kultusminister Zehetmair am Donnerstag in München gefordert. Entgegen allen Unkenrufen aufgeregter Reformgegner finde durch die Neuregelung der Untergang des Abendlandes nach den vorliegenden Erfahrungen nämlich nicht statt. Bayerns Schüler seien bereits im abgelaufenen Schuljahr mit der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung vertraut gemacht worden. Das Ergebnis einer bayernweiten Umfrage durch die Regierungen und die Ministerialbeauftragten belege jetzt, daß die überwältigende Mehrheit der bayerischen Schulen keine nennenswerten Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung haben. Auch die dem Ministerium vorgelegten gedruckten Jahresberichte der Schulen, die bezeichnenderweise fast alle in neuer Schreibung über das Geschehen an den Schulen berichten, seien ein weiterer deutlicher Beweis dafür, daß von "Chaos" und "Kulturbruch" keine Rede sein könne. Meist müsse man ohnehin zweimal hinschauen, um zu erkennen, ob der jeweilige Text nach den alten oder den neuen Regeln verfaßt sei. Vor allem werde deutlich, daß die Beteiligten nicht das Gefühl hätten, einem "menschenverachtenden Massenversuch" ausgesetzt zu sein, wie eine maßlos gewordene Anti-Reform-Polemik in Anspielung auf historische Verbrechen behaupte. Katastrophenszenarien dieser Art nähmen von der Realität offensichtlich keine Notiz mehr. Der unaufgeregte Umgang mit der Neuregelung an den bayerischen Schulen bestätige auch die Erfahrungen in anderen Ländern. Zehetmair: "Die Neuregelung ist von den Deutschlehrern mit Engagement und Ideenreichtum auf den Weg gebracht worden und die Schüler haben längst bemerkt, daß die Systematisierung der Regeln und die Beseitigung einer Vielzahl von Ausnahmen das Schreiben insgesamt leichter macht."

Zur Versachlichung der Diskussion könne auch eine neue wissenschaftliche Untersuchung beitragen, die belege, daß einander widersprechende Angaben von Wörterbuch zu Wörterbuch keineswegs so zahlreich sind, daß diese Nachschlagewerke, wie vielfach behauptet, unbrauchbar und die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung gefährdet wären. Die Studie von Kerstin Güthert und Klaus Heller vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim ("Das Märchen von tausendundeiner Differenz") kommt zum Ergebnis, daß ein großer Teil der divergierenden Angaben in den Nachschlagewerken bereits vor der Umsetzung der Neuregelung vorhanden war. Durch die Neuregelung sei die Zahl dieser Fälle sogar merklich zurückgegangen. Seit der Neuregelung gebe es in den marktführenden Wörterbüchern zwar noch Darstellungsunterschiede, sich widersprechende Aussagen seien jedoch sehr selten.

I. A. Josef Parsch, Pressereferat

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Toni Schmid, Pressereferent