Pressemitteilung

Nr. 85 – 30. April 1999

Kultusministerin Hohlmeier zum 54. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau: Historische Verantwortung ist Verpflichtung für die Zukunft

Auf der Gedenkfeier zum 54. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau mahnte Kultusministerin Monika Hohlmeier, die Erinnerungen an eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte Deutschlands wach zu halten und aus ihnen Lehren für gesellschaftliches und individuelles Handeln zu ziehen. „Das Unfassbare, das hier geschehen ist, darf weder dem Vergessen anheim fallen noch verharmlost werden. Wir sind alle aufgefordert, diese Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen, sie auszuhalten und aus der bitteren Erkenntnis Konsequenzen für künftiges Tun zu ziehen", betonte Frau Hohlmeier. Die Ministerin erinnerte an die furchtbare Entwicklung der Judenverfolgung im „Dritten Reich", die in der Vernichtung in Konzentrationslagern einen tragischen Höhepunkt erreichte. Nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurden insgesamt 10.911 Juden aus dem süddeutschen Raum in das KZ-Dachau eingeliefert. Das Konzentrationslager Dachau wurde im Dritten Reich zum Modell für alle anderen Konzentrationslager, gleichsam zur „Schule der Gewalt". Nach der Ausschaltung der Opposition diente es der Unterdrückung anderer Gruppen, die den Nazis nicht genehm waren, wie insbesondere Sinti und Roma.

Die Ministerin unterstrich die Bedeutung dieser Erfahrungen für den Rechtsstaat der Gegenwart. „Im demokratischen Rechtsstaat verwirklicht sich im Grunde das Vermächtnis derer, die in den Konzentrationslagern entsetzlich gelitten haben. Der Rechtsstaat hat sich den Schutz der Menschen- und Bürgerrechte und die Achtung der Würde des Menschen als oberstes Gebot vor alle anderen staatlichen Ziele gesetzt." Diese Errungenschaft gelte es immer wieder bewusst zu machen. Die Ereignisse im Kosovo zeigten, dass Völkermord und –vertreibung in Europa kein Phänomen der Vergangenheit seien, sondern Verbrechen, die leider auch heute Teil unserer europäischen Wirklichkeit seien. Die Ereignisse im Kosovo dürften nicht mit dem Völkermord an den Juden auf eine Stufe gestellt werden. Doch die Bilder aus dem Kosovo riefen die Erinnerungen vieler an die damalige Zeit wach. „Die Erinnerung an die Befreiung des KZs Dachau verpflichtet uns, nicht tatenlos zuzusehen, wenn Menschenrechte missachtet und Menschen systematisch verfolgt und vertrieben werden", betonte die Ministerin. Zum ersten Mal sei es traurige Realität geworden, dass Deutschland in engem Bündnis mit den anderen NATO-Staaten Menschenrechte mit militärischem Einsatz zu verteidigen suchte. Auch in dieser Zeit, in der es zu militärischen Interventionen kommen musste, sei es umso wichtiger, erneut politische Initiativen zu starten und gemeinsam mit den Verbündeten und Russland zu einer Lösung des Konflikts unter Einsatz von Friedenstruppen zu kommen.

Frau Hohlmeier hob die Leistungen des Freistaats für Errichtung und Erhalt der Gedenkstätten, die an Unrecht und Vertreibung erinnerten, hervor. Mit erheblichen staatlichen Mitteln würden derzeit die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg ausgebaut und umgestaltet. In Nürnberg werde auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Zusammenarbeit mit der Stadt Nürnberg und dem Bund ein Dokumentationszentrum geschaffen. Die Ministerin unterstrich die Bedeutung eines Dialogs zwischen den Generationen und den Völkern und erinnerte an das neue Jugendgästehaus Dachau und die intensiven Kontakte bayerischer Schulen zu Partnerschulen in Israel. Wichtig sei aber auch die Begegnung mit jüdischer Kultur in Deutschland. Hohlmeier verwies auf zahlreiche Ausstellungen zur Geschichte der Juden in Deutschland in den Räumen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, auf die Dokumentation „Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern" der bayerischen Landeszentrale für politische Bildung sowie auf den Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München, den ersten seiner Art in Deutschland.

An der Gedenkfeier in Dachau nahmen auch ehemalige Häftlinge des KZs aus der Ukraine, Russland, Weißrussland, Estland, Polen und Ungarn sowie eine Gruppe aus Israel, unter ihnen Überlebende des Todesmarsches, teil.

Dorothee Erpenstein
Pressesprecherin im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus