16. April 1997

Das Übertrittsverfahren an die Gymnasien hat begonnen

Kultusminister Zehetmair warnt vor überzogenen Elternerwartungen

"Das Gymnasium ist kein Königsweg"

 

Vor überzogenen Elternerwartungen im Zusammenhang mit dem Übertritt ans Gymnasium hat Kultusminister Zehetmair gewarnt. Das Gymnasium sei keineswegs der schulische Königsweg, sagte der Minister am Mittwoch zum Beginn des Übertrittsverfahrens, das jetzt an den Grundschulen angelaufen ist. In jedem Fall müsse beim Übertritt an ein Gymnasium das Kind im Mittelpunkt stehen, nicht der noch so gut gemeinte Wille der Eltern.

"Ausschlaggebend bei der Wahl der Schullaufbahn müssen Eignung, Begabung und Interesse der Kinder sein," betonte der Minister. Der von den Eltern gewünschte Übertritt ans Gymnasium bedeute für viele Grundschüler einen erheblichen Leistungsdruck. Es komme sogar vor, daß bereits Grundschüler Nachhilfe erhielten, damit sie den Übertritt ans Gymnasium schließlich mit Mühe schaffen. Dort allerdings werde ein höheres Maß an selbständigem Arbeiten, ein schnelleres Arbeitstempo und mehr Flexibilität gefordert. Die gut gemeinten Nachhilfestunden brächten das Kind somit letztlich in eine Situation, in der es sich permanent überfordert fühlen müsse. Mißerfolgserlebnisse oder gar das Scheitern am Gymnasium würden sich negativ auf das Selbstwertgefühl der Kinder auswirken.

Bei unzureichenden Leistungen in der 4. Grundschulklasse sei es sinnvoller, noch ein Jahr mit dem Übertritt zu warten oder eine andere Schullaufbahn in Erwägung zu ziehen. "Das gegliederte Schulwesen bietet jedem Kind zum richtigen Zeitpunkt eine begabungsgerechte Schulform und ist darüber hinaus so durchlässig, daß kein Weg verbaut wird," sagte Zehetmair. Insofern gebe es keine besseren oder schlechteren Schulen, sondern unterschiedliche Wege zum schulischen und beruflichen Erfolg. In Bayern sei auch nach der 4. Grundschulklasse der Zug zu einem Studium noch lange nicht abgefahren. So könne der Weg zur Hochschule beispielsweise auch über den mittleren Schulabschluß an der Realschule oder an der Hauptschule und die anschließende Fachoberschule führen. Selbst über gute Leistungen in der beruflichen Bildung lasse sich noch an der Berufsoberschule die Hochschulreife erwerben. Allerdings stelle sich angesichts der wachsenden Arbeitslosigkeit auch bei Akademikern die grundsätzliche Frage, ob eine solide Berufsausbildung einem Studium nicht in vielen Fällen vorzuziehen sei.

Im letzten Schuljahr lag die Übertrittsquote ans Gymnasium in Bayern bei rund 34 Prozent.

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Toni Schmid, Pressereferent